"Die Stadt Gelnhausen will 'Ordnung im Immobiliendschungel' schaffen und 'überflüssige' Gebäude abstoßen. Das erste Gebäude, von dem sich die Stadt trennen will, soll ein leerstehendes Wohnhaus in der Brentanostraße sein. So weit so gut, könnte man denken, wenn man nicht darüber informiert ist oder auf der Abbildung erkennen kann, dass es sich bei diesem Haus um die Brentanostraße 12, links neben der Ehemaligen Synagoge, handelt. Dieses Haus ist die ehemalige Alltagssynagoge und das Wohnhaus des ehemaligen Rabbiners Warburg und hat eine eminente Bedeutung für die Gelnhäuser Kulturgeschichte. Es ist als Kulturdenkmal nach § 2 Absatz 1 Hessisches Denkmalschutzgesetz aus geschichtlichen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.

Für die Stadt, den Main-Kinzig-Kreis und die Rhein-Main-Region hat Gelnhausen mit seinem jüdischen Erbe eine besondere Rolle. Die jüdische Gemeinde wird schon 1241 erstmals erwähnt, mehr als 700 Jahre prägte jüdisches Leben unsere Stadt und noch heute erinnern die Ehemalige Synagoge, die Stolpersteine und der jüdische Friedhof an die Menschen und ihr Leben. Trotz des Abrisses der Immunitätsmauer in den späten 1970ern zeigt sich mit der Ehemaligen Synagoge und dem links danebenstehenden Haus des Rabbiner Warburg ein bedeutendes Ensemble jüdischer Kultur in Gelnhausen. Es war weitblickend, dass die Stadt Gelnhausen das Haus vor einigen Jahren aus privater Hand gekauft hat, um der Ehemaligen Synagoge das Rabbiner- und Gelehrtenwohnhauses wieder anzugliedern und so perspektivisch eine seiner Bedeutung entsprechende Nutzung zu ermöglichen.

Noch im November 2023 wurde in einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung Gelnhausen „der Einbezug des noch vorhandenen Rabbiner- und Gelehrtenwohnhauses der Jüdischen Gemeinde auf dem Nachbargrundstück in der Brentanostraße 12“ beschrieben. Das Haus Brentanostraße 12 sollte zukünftig als interreligiösen Treffpunkt genutzt und das Schicksal der persönlichen Schicksale Gelnhäuser jüdischen Glaubens in den Fokus zu gestellt werden. Aus heutiger Sicht bestünde zudem die realistische Möglichkeit, ein Dokumentationszentrum in Verbindung mit dem Zentrum für Regionalgeschichte im EG zu installieren. Darüber hinaus würde die Ehemalige Synagoge, die seit 1986 als ein Ort kultureller Begegnung genutzt, und von der Stadt Gelnhausen zudem als stilvoller Rahmen für Hochzeiten beworben wird, mit zusätzlichen Räumen im ersten Obergeschoss der Brentanostraße 12 aufgewertet werden.

Trotz ihrer Nutzung als Ort kultureller Begegnung besitzt die ehemalige Synagoge auf der Empore nur einen sehr kleinen Raum zum Umziehen, zur Unterbringung der notwendigen Utensilien oder für die Vorbereitung des Auftritts der jeweiligen Künstler. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass das Haus Brentanostraße 12 über keinen Garten oder Hof verfügt, weil es zum Ensemble um Synagoge und Vorplatz gehört und mittels eines Durchganges verbunden war. Wir meinen, dass diese Möglichkeiten am Besten realisiert werden können, wenn das Haus in öffentlichem Besitz bleibt. Wenn der namentlich nicht bekannte 'Kaufinteressent' eine Nutzung im beschriebenen Sinne im Auge hat, wäre dies einigermaßen überraschend, dies müsste aber im Kaufvertrag festgeschrieben werden. Es kann aus unserer Sicht nicht sein, dass ein wichtige Kulturzeugnis, das in Chroniken und in der Liste der Denkmaltopographie der Kulturdenkmäler auf dem Gebiet der Stadt Gelnhausen ausgewiesenen, ist, privatisiert wird. Schon die zwölf vor dem Haus verlegten Stolpersteine zeigen, dass die Bedeutung des Hauses von Tragweite ist.

Auch der durch einen Verkauf zu erzielende Geldbetrag ist im Verhältnis zum Gesamthaushalt der Stadt Gelnhausen marginal und wird keinesfalls einen nennenswerten Beitrag zur finanziellen Sanierung beitragen. Zudem ergab eine Anfrage per Mail im Liegenschaftsamt der Stadt Gelnhausen am 04.03.2024, die telefonische Auskunft, dass die Brentanostraße 12 ohne öffentliche Ausschreibung verkauft werden soll. Eine per Mail erbetene Bestätigung oder schriftliche Stellungnahme zu diesem Verfahren erfolgte zunächst nicht. Am 7. März kam dann doch eine Erklärung der Liegenschaftsamtes mit dem Inhalt, dass die Stadt gesetzlich verpflichtet sei, das Haus zu verkaufen, da die beabsichtigte Nutzung nicht erfolgt sei.

Während  Bürgermeister Litzinger davon spricht 'Ein Kaufinteressent steht bereit', suggeriert das Liegenschaftsamt jetzt, dass der Magistrat mit Beschluss in seiner Sitzung am 20.02.2024 den Verkauf an den früheren Käufer, aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen nach § gem. § 89 Abs. 2 BauGB, beschlossen hat. Nach Einsicht in den entsprechenden Paragraphen gehen wir nicht davon aus, dass die Stadt dazu verpflichtet ist. Bleibt als Ziel, 'Ordnung' zu schaffen. Welche 'Ordnung' ist damit gemeint?

Das erste Gebäude, von dem die Stadt sich unter dem neuen Bürgermeister trennen will, soll das ehemalige Rabbiner- und Gelehrtenhaus in der Brentanostraße 12 sein, das nach unserem Kenntnisstand noch bis vor vier Jahren bewohnt und gut erhalten war? Uns wundert generell die Hektik, mit der der Verkauf betrieben wird, der ökonomisch für die Stadt Gelhausen unwesentlich ist, als Resultat jedoch den Verlust eines für die Stadtgeschichte wichtigen Gebäudes, vermutlich für immer, bedeutet. Besonders wundern wir uns über die Exklusivität und sonderlichen Wege des Verkaufsvorgangs. Im  Februar 2024 war die Rede davon, dass die Stadtverordnetenversammlung dem Vorschlag zustimmen müsse. Jetzt also nicht mehr?

Wir meinen: Gerade in der aktuellen Situation eines aufflammenden und sich erneut verfestigenden Antisemitismus setzt der Verkauf ein völlig falsches Signal. Kann es wirklich die Absicht des Magistrats der Stadt Gelnhausen und ihres Bürgermeisters sein, das Haus Brentanostraße 12 ohne Rücksicht auf seine Bedeutung für die Geschichte jüdischen Lebens in Gelnhausen zu verkaufen?"

Sabine Brunk, Bernd Cichon, Ursula Cichon, Arno Fischer, Werner Granzow
Gelnhausen

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