Lesung von Wolfgang Hohlbein ein voller Erfolg

Literatur
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Wolfgang Hohlbein ist ein Genie. Jedenfalls lässt er das in seiner typisch humorvollen Art anklingen in einem Interview, in dem er betont, die Frage, die er gerne einmal gestellt bekommen würde, sei: „Wie lebt es sich so als Genie?“



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Folgerichtig kommt Buchhändlerin Andrea Euler nicht umhin, den berühmten Autor genau das im Rahmen der Lesung im Bad Orber Gartensaal zu fragen. Hier gibt sich der erfolgreichste deutsche Fantasy-Autor bescheiden: Das mit dem Genie, sagt er, könne man weglassen. Aber ansonsten sei er schon glücklich, „dass ich das machen darf, was ich wirklich will. Und das habe ich auch Ihnen zu verdanken.“

Mit „Ihnen“ waren in dem Moment die rund 100 Gäste gemeint, die der gemeinsamen Einladung von Buchhandlung Dichtung & Wahrheit und der Bad Orb Kur GmbH in den Gartensaal gefolgt sind. Eine Doppel-Lesung: Das war ein Format, wie es selten auf der Bühne zu finden ist. Hohlbein stellt sowohl seinen historischen Thriller „Killer City“ als auch einige ausgewählte Textstellen aus dem zweiten Teil der Reihe „Armaggedon“ vor. Und zeigt sich völlig unprätentiös: Auf alle Fragen, kündigt er an, werde er antworten. Nur die nach dem Schluss der jeweiligen Bücher und nach seinem Verdienst, die werde er unbeantwortet lassen. Wobei man sich bei mehr als 53 Millionen verkauften Bücher von mehr als - Hohlbein selbst weiß es auch nicht so recht – etwa 200 Titeln ausrechnen kann, dass da ein Millionenschwerer auf der Bühne sitzt. Gerüchte besagen, von den deutschsprachigen Autoren habe nur Karl May eine größere Auflage zu verzeichnen. Der Autor, Vater von sechs Kindern, wirkt jedoch wie der Mann von nebenan: Klein, schmal, lange Haare, zauseliger Bart. Schwarze Klamotten, die Tasche schon etwas abgeschabt. Einzig erkennbarer Luxus: Sein BMW-Cabrio, auf das er bei der Ankunft in der Kurstadt herzlich schimpft, weil sich das Verdeck nur schließt, wenn man permanent den Knopf gedrückt hält. Ansonsten so unauffällig, dass selbst bekennende Fans ihn erst auf den zweiten Blick hinter dem Büchertisch erkennen. Dort plaudert er mit den Buchhändlern, lässt sich von Peter Schweigert, einem Angestellten der Eventgastronomie „WunderBar“, einen Kaffee bringen. Der kalt wird. „Macht nichts, ich trinke ihn kalt eh am liebsten“, sagt Hohlbein, als der spontan aufflammende Andrang nach Selfies, Signaturen, Widmungen in zerfledderte, erkennbar vielfach gelesene „Märchenmond“-Bände direkt vor dem angekündigten Lesungsbeginn für einen Moment abflaut. Dass kalter Kaffee schön machen soll? Hohlbein zuckt die Schultern: „Wer besser aussieht als ich, ist eh geschminkt“, sagt er trocken.

Um sich gleich darauf auf der Bühne in einen rasant vortragenden Künstler zu verwandeln, der die schnelle Dynamik seines Thrillers „Killer City“ in zügigem Lese-Tempo wiederzugeben vermag. Um einen Serienkiller in Chicago zur Zeit der Weltausstellung geht es, um die moralische Frage, wen er – einem übermächtigen Impuls folgend – töten soll und darf, und wen nicht. Und darum, wie sich der Protagonist Feinde macht – und vom Jäger zum Gejagten wird. Atemlose Stille, obwohl die Lesung aus diesem ersten Buch rund eine Stunde währt. „Wie stark identifizieren Sie sich mit Ihren Figuren?“, will prompt ein Besucher wissen. „Man kann keine Geschichte erzählen, wenn nicht viel von einem selbst drin steckt“, betont Hohlbein. Er recherchiert selbst, hat seine Geschichten „im Griff“: „Mehr als 40, 50 Seiten habe ich noch nicht weggeworfen“, sagt der Schriftsteller, der in den Nachstunden zum Stift greift. Denn am Computer schreiben, das ist seine Sache nicht. „Da habe ich immer gleich ganz viele Ideen, was ich mit dem Computer noch alles anstellen kann.“ Aber ein Digital-Stift darf es inzwischen schon sein, die Technik erledigt dann den Rest. Beim gemeinsamen Schreiben mit seiner Frau liefere sie zunächst die Grundideen, er selbst schreibe. Und dann sei wieder sie dran. So ist in den 80ern etwa die „Märchenmond“-Reihe entstanden, die erste gemeinsame Reihe mit einer heutigen Gesamtauflage von mehr als vier Millionen verkauften Büchern. Vorbilder? Hohlbein mag Bücher von Stephen King, von Tolkien, von Dean Koontz. Aber: „Ich kann nur so schreiben, wie ich.“ Und er betont: „Das Schreiben ist mein Hobby geblieben, all die Jahre.“

Eine kurze Pause, weitere Selfies, Unterschriften, Widmungen. Zeit für zwei genussreiche Zigaretten vor der Türe. Und dann verrät er noch ein klein wenig aus dem angekündigten zweiten Teil der Armageddon-Saga: „Die Nephilim.“ Er liest von der „Asche einer verbrannten Welt“, einem Himmel, „der die Konsistenz und Farbe von klumpig geronnenem Blei“ hat. Von purer Zerstörungswut, geschwärzten Ruinen und gellenden Schreien. Er fasziniert sein Publikum – wieder einmal. Und er verspricht, nach dem verspäteten Erscheinen des Titels den Lesungsgästen die erworbenen Bücher auch noch zu signieren. Email-Adressen werden mit der Buchhändlerin getauscht. Wolfgang Hohlbein bleibt, bis auch die letzten Gäste die Halle verlassen haben, die Kisten mit den wenigen restlichen Büchern gepackt sind, und der Bad Orber Veranstaltungschef Christian Edel die Türen abschließt. Dann setzt er sich in seinen BMW und braust nach Hause, nach Neuss. „Es ist egal, ob ich um 1 oder um 3 Uhr nach Hause komme“, sagt er. Aber eines ist sicher: Wenn er zu Hause ist, geht es wieder an den Schreibtisch. Die Nacht, das ist seine Zeit...


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