Woher kam die Idee zu „Earth“?

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Hansjörg Thurn ist eigentlich erfolgreicher Drehbuchautor und Regisseur – und seit kurzem auch Autor: Im vergangenen Jahr erschienen seine beiden ersten Romane aus der „Earth“-Near-Future-Reihe.



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Am 29. August 2020 kommt der gebürtige Westfale in das hessische Wächtersbach in die Buchhandlung Dichtung&Wahrheit, um aus seinem neuesten Buch „Earth – Rebellenzeit“, dem fulminanten Finale der Trilogie, zu lesen. Eine der beiden Inhaber der Buchhandlung, Andrea Euler, hat dem Autor im Vorfeld einige Fragen gestellt, um für seine Fans hinter die Kulissen der Autorenarbeit, der Entstehungsgeschichte von „Earth“ zu blicken und zu erfahren, wie Hansjörg Thurn, neben seiner eigentlichen Tätigkeit als Drehbuchautor und Regisseur, dazu kam jetzt auch noch Thriller zu schreiben.

Herr Thurn, Sie sind erfolgreicher Drehbuchautor und Regisseur. Was hat dazu geführt, dass Sie im Thriller-Bereich gelandet sind? Was fasziniert Sie persönlich an diesem Genre?
Hansjörg Thurn: „Im Genre des Thrillers kann man wie nirgendwo sonst seine Protagonisten an psychische und körperliche Grenzen bringen. Man kann Lebensumstände über den Haufen werfen und den Alltag seiner Figuren auf den Kopf stellen. Menschen, die von jetzt auf gleich in Extremsituationen geworfen werden, das interessiert mich. Als Filmregisseur war ich auch schon einige Male in diesem Genre, aber in einem Roman lässt sich die Phantasie viel weitertreiben.“

Woher kam die Idee zu „Earth“?
Hansjörg Thurn: „Ich hatte von den sogenannten Supercomputern gelesen, also riesigen Rechneranlagen, die die Hungersnöte und Flüchtlingsströme der Zukunft vorausberechnen sollen. Das hat mich zur Frage gebracht: Was geschieht, wenn solch ein Supercomputer dazu genutzt wird, den Wohlstand unserer Gesellschaft für die Zukunft zu garantieren? Wäre das zum Nutzen der Menschheit oder nicht? Meine Antwort war dann die Geschichte von Earth: Manche glauben daran, dass die Gesellschaften durch Computerberechnung perfektioniert werden können. Andere sehen darin die Sklaverei der Zukunft. Das ist der große Konflikt in Earth.“

Science-Fiction-Autoren wird nachgesagt, sie könnten die Zukunft vorhersagen. Sehen Sie Ihre Romane als einen wahrscheinlichen Blick in unsere reale Zukunft? Sehen Sie für unsere westliche Welt für die nächsten - sagen wir mal - 30 Jahre eine Gefahr einer Diktatur?
Hansjörg Thurn: „Ich glaube, dass ich mit Earth ziemlich nah an die Perspektive für eine zukünftige, globale Gesellschaft gekommen bin. Unsere nächsten zwei Jahrzehnte werden vermutlich ziemlich ähnlich verlaufen, wie es in der Geschichte von Earth beschrieben ist. Es gibt einfach nicht so viele Alternativen für eine globale Entwicklung, die immer mehr durch ökologische Katastrophen und der eklatanten sozialen Ungleichheit unter Druck steht. Computer könnten vielleicht Lösungen für diese Probleme entwickeln, sie könnten aber auch alles viel schlimmer machen. Je nachdem, in wessen Händen sie sind.“

Ihre Thriller werfen einen recht düsteren Blick darauf, wie eine Gesellschaft überwacht und fremdgesteuert werden kann. Warum, glauben Sie, fasziniert das Thema Ihre Leserschaft?
Hansjörg Thurn: „Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob dieses Thema eine große Leserschaft interessiert. Viele Menschen möchten lieber nicht allzu düster in die Zukunft schauen. Die Gegenwart bietet ja für die meisten schon mehr Stresspotential, als ihnen lieb ist. Dennoch denke ich, dass die digitale Entwicklung neben all ihren schönen Reizen auch große Gefahren birgt. Der vielzitierte Überwachungsstaat ist nur eine davon. Ich glaube, je mehr wir uns – in Filmen, Romanen oder Games – mit diesem Thema auseinandersetzen, um so bewusster können wir uns auch vor den Gefahren wappnen.“

Wie schaffen Sie es, als „Branchenfremder“ die Arbeit von Hackern wirklichkeitsgetreu abzubilden?
Hansjörg Thurn: „Recherche, Recherche, Recherche. ;-)“

Ihre Bücher lassen sich auch als Plädoyer für die (Meinungs-)Freiheit lesen. Ist es nicht ein Widerspruch, Hacker so idealistisch darzustellen, wo diese doch selbst nicht demokratisch legitimiert sind?
Hansjörg Thurn: „Unter den Hackern gibt es Good Guys und Bad Guys, genau wie überall sonst. Mich faszinieren aber eher die Good Guys unter ihnen, also diejenigen, die sich für die Meinungsfreiheit einsetzen, die Umweltbewegungen unterstützen oder die zur Zeit des sogenannten Arabischen Frühlings die demokratischen Kräfte unterstützt hatten. Natürlich sind die Mittel der Hacker im Sinne eines Rechtsstaats nicht immer legal, aber andererseits sind viele Dinge auf unserer Welt von unserem moralischen Bewusstsein aus betrachtet sehr fragwürdig, selbst wenn sie in Rechtsstaaten geschehen. In dieses Spannungsfeld habe ich die Hacker von Earth gesetzt, eine moderne Robin-Hood-Truppe, deren Sherwood Forest das Netz ist.“

Was halten Sie im „real life“ von Whistleblowern wie etwa Edward Snowden?
Hansjörg Thurn: „Einer der wirklich großen Helden unserer Zeit.“

Angenommen, die Welt würde sich so entwickeln, wie Sie das in der "Earth"-Reihe beschreiben: Was glauben Sie, wo würden Sie sich wiederfinden? Auf der Seite derer, die sich anpassen, oder auf der Seite der Rebellen?
Hansjörg Thurn: „Ich hoffe, dass ich immer den Mut haben werde, die Seite der Rebellen zu wählen.“

Wussten Sie von Anfang an, dass es mehr als ein Buch geben wird?
Hansjörg Thurn: „Auf der einen Seite die Welt der Mächtigen, die alles tun, was ihnen oder ihren Interessen nützt, auf der anderen Seite die neuen Bewegungen wie Fridays-for-Future, Extinction-Rebellion, Bündnisse von einfachen Menschen, die für etwas kämpfen, das allen nützt. In meiner Geschichte stehen Tantalos und Earth für diese beiden Seiten. Ein großes Thema, das viel Platz zum Erzählen brauchte. Ein besserer Autor als ich hätte sich vermutlich an einen 1000-Seiten-Roman gewagt. Ich habe die Geschichte lieber auf drei Bände verteilt.“

Ist nach „Earth-Rebellenzeit“ Schluss oder planen Sie eine weitere Fortsetzung?
Hansjörg Thurn: „Es hat mich viel Kraft gekostet, diese Trilogie zu schreiben. Ich habe ja eigentlich einen anderen Beruf, und habe das Romanschreiben „nebenbei“ gemacht. Ich habe Ideen für einen vierten Band, aber ich glaube, ich muss erstmal eine Weile neue Kraft sammeln.“

Können wir von dem Buchautoren Hansjörg Thurn weitere Projekte erwarten ? Ist möglicherweise schon etwas in Planung?
Hansjörg Thurn: „Im Moment schreibe ich an einer Serie, die verfilmt werden soll. Außerdem bereite ich mich auf einen neuen Film vor, den ich als Regisseur betreue. Danach, also vermutlich Mitte 2021, hoffe ich mich wieder dem Buchschreiben zuwenden zu können.“

Die Frage liegt bei Ihrem Hauptberuf nahe: Planen Sie eine Verfilmung der Buchreihe?
Hansjörg Thurn: „Ich war naiv und habe die Verfilmungsrechte zu schnell an eine Produktionsgesellschaft verkauft. Ich bin daher leider nicht frei mit den Plänen für die Verfilmung.“

Die aktuelle Situation bietet genug Stoff für mindestens einen neuen Thriller. Wäre ein „Pandemie-Thriller“ ein mögliches neues Projekt?
Hansjörg Thurn: „Vermutlich schreiben momentan 5000 Autoren an Pandemiethrillern, und das alleine in Deutschland. Ich denke mal, dass in den nächsten zwei Jahren ein paar Dutzend davon in den Buchläden landen. Auf keinem davon wird mein Name stehen.“

Es handelt sich bei der Veranstaltung in der Buchhandlung Dichtung&Wahrheit um eine besondere Lesung im Online-Format. Haben Sie damit Erfahrung? Oder betreten auch Sie damit "Neuland"?
Hansjörg Thurn: „Das ist totales Neuland für mich. Ich bin sehr aufgeregt.“

Die Onlinelesung in der Buchhandlung Dichtung&Wahrheit ist für die Teilnehmer kostenlos, allerdings rufen Sie gemeinsam mit dem Buchhändlerpaar zu Spenden für die Menschen in den Flüchtlingslagern in Moria auf. Wie kam es dazu? Ist das ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt?
Hansjörg Thurn: „Ich arbeite gerade an einem Dokumentarfilm über eine wunderbare Frau aus Bonn, die ihr Leben in den Dienst der Flüchtlingshilfe gestellt hat. Völlig uneigennützig hilft und unterstützt sie die Leute, die im griechischen Lager Moria auf eine bessere Zukunft hoffen. Die Spenden sollen in ihre Arbeit fließen, dort können sie ganz sicher sinnvoll verwendet werden.“

Was wären Sie schon immer mal gerne in einem Interview gefragt worden - es hat nur nie jemand an die Frage gedacht? Und was wäre die Antwort?
Hansjörg Thurn: „Ich wäre gerne mal gefragt worden, ob es mir Spaß macht, Romane wie Earth zu schreiben. Ich hätte geantwortet: Natürlich nicht, ich tue es trotzdem.“

Foto: Lilly Thurn


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