Trotz Corona-Lockerungen: Kreistag im Krisenmodus

Trotz Corona-Lockerungen: Kreistag im Krisenmodus

Die Corona-Pandemie hat auch die Parlamente in einen Krisen-Modus versetzt, zahlreiche Sitzungen wurden seit Mitte März abgesagt oder verlegt. Doch während Bundestag und Landtage weiterhin tagten und auch im Main-Kinzig-Kreis vielerorts wieder eine „neue“ Normalität eingekehrt, in der Stadtparlamente und Gemeindevertretungen inzwischen unter den geänderten Bedingungen zusammenfinden, wurde die für den 15. Mai angesetzte Kreistagssitzung abgesagt und durch eine Haupt- und Finanzausschusssitzung ersetzt. Wir haben beim Kreistagsvorsitzenden Carsten Ullrich (SPD) nachgefragt, ob das angesichts der Corona-Lockerungen noch nötig gewesen wäre.

Herr Ullrich, was hat Sie zu dieser Entscheidung veranlasst?
Carsten Ullrich: „Mit Blick auf die Fristen der geplanten Kreistagssitzung am 15. Mai haben wir diese Entscheidung bereits Mitte April getroffen. Zum damaligen Zeitpunkt war nicht absehbar, wie sich die dynamische Lage entwickeln würde. Alleine die räumlichen Gegebenheiten, die eine unvermeidbare Nähe der anwesenden über 100 Personen zueinander zur Folge hätte, war unter dem Aspekt des Ansteckungsschutzes ein wichtiger Grund. Zudem sind 48 der 87 Kreistagsabgeordneten und 16 Kreisausschussmitgliedern älter als 60 Jahre und gehören damit genauso der Risikogruppe an, wie weitere vorerkrankte Kreistagsabgeordnete. Der Unterschied zu Bundes- und Landtagsabgeordneten ist, dass Kreistagsabgeordnete ihr Mandat ehrenamtlich und nicht beruflich ausüben. Nach Abwägung der damals aktuellen Situation, haben wir in Abstimmung mit dem Kreistags-Präsidium, den Fraktionen und dem hauptamtlichen Kreisausschuss entschieden, von der Regelung Gebrauch zu machen, anstelle des Kreistags den Haupt- und Finanzausschuss in einer öffentlichen Sitzung tagen zu lassen.“

Abgeordnete auf Bundes- und Landesebene über alle Parteien hinweg betonen derzeit ausdrücklich die Wichtigkeit die Aufrechterhaltung des Parlamentarismus angesichts der Grundrechtseinschränkungen durch die Corona-Pandemie. Sollte da nicht auch das politische Hauptorgan im Main-Kinzig-Kreis, quasi in einer Art Vorbildfunktion, an seinen Terminen festhalten?
Ullrich: „Wie gesagt, beruht die Entscheidung auf dem Sachstand von Mitte April und wurde mit den Beteiligten einvernehmlich abgestimmt. Die Frage ist vielmehr, was hier als Vorbildfunktion zu verstehen ist? Ist es Vorbildfunktion, mit aller Gewalt an der Durchführung einer Sitzung unter einer extrem hohen Ansteckungsgefahr festzuhalten? Oder hat es Vorbildfunktion, den Ansteckungsschutz ehrenamtlicher Kreistagsabgeordneter im Blick zu haben und sich mit allen Beteiligten auf die wesentlichen Punkte der Tagesordnung und einen kleineren Teilnehmerkreis zu verständigen? Auch wenn aktuell in der Öffentlichkeit zunehmend der Eindruck entsteht, die Pandemie wäre vorüber, sind jedoch weiterhin große Vorsicht und Abstand geboten. Eine öffentliche Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses stellt eine Alternative dar, die der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ermöglicht hat.“

Warum war es keine Option, mit dem Kreistag in eine größere Halle umzuziehen, wo die Abstandsregeln hätten eingehalten werden können? Früher hat der Kreistag schließlich auch außerhalb der Kreisverwaltung getagt.
Ullrich: „Diese Option wurde in die Abwägung mit einbezogen, ließ sich jedoch für die Sitzung am 15. Mai noch nicht realisieren. Für zukünftige Kreistagssitzungen ist dies eine der denkbaren Alternativen.“

Die letzte Kreistagssitzung fand am 21. Februar statt, seitdem hat sich auch im Main-Kinzig-Kreis viel verändert. Wäre eine „Corona-Debatte“ über die bisher durchgeführten Maßnahmen sowie Auswirkungen, Folgen und vor allem auch die weitere Vorgehensweise im Kreis nicht dringend notwendig?
Ullrich: „Lassen Sie uns zunächst mal sachlich festhalten, dass es sich bei der Sitzung am 15. Mai um die erste und wahrscheinlich einzige Kreistagssitzung handelt, die während der Corona-Pandemie als Sitzung des Haupt- und Finanzausschuss stattfindet. Weiterhin wird der Main-Kinzig-Kreis durch Landrat Thorsten Stolz, Erster Kreisbeigeordneten Susanne Simmler, Kreisbeigeordnetem Winfried Ottmann, ehrenamtlichem Kreisausschuss, Verwaltungsstab, Gesundheitsamt sowie der gesamtem Kreisverwaltung besonnen, kompetent und souverän durch die Pandemie geführt. Über die getroffenen Maßnahmen werden die Fraktionen regelmäßig informiert. Der Kreisausschuss hat während der gesamten Pandemie seinen zweiwöchigen Sitzungsrhythmus beibehalten und ist in vollem Umfang seinen Aufgaben auch über das Pandemiegeschehen hinaus nachgekommen.“

Die Kreistagsabgeordneten haben Sie zu ihrem Vorsitzenden gewählt. In der Hessischen Landeskreisordnung heißt es über diese Funktion unter anderem: „Er wahrt die Würde und die Rechte des Kreistags.“ Können Sie diese Rolle derzeit so ausfüllen, wie es der Gesetzgeber verlangt und vor allem wie es alle Kreistagsabgeordneten auch verlangen können?
Ullrich: „Ich stehe mit der Entscheidung nicht im Widerspruch zu den Kreistagsabgeordneten. Das Vorgehen wurde nach Abwägung unter anderem mit dem Kreistagspräsidium und den Fraktionen abgestimmt. Es wurden keine Einwände dagegen vorgebracht.“

Die Corona-Pandemie wird ja aller Voraussicht nach mindestens noch Monate andauern, wann und vor allem auch wie wollen Sie allen Kreistagsabgeordneten in Zukunft die Möglichkeit geben, sich an parlamentarischen Debatten im Rahmen von Kreistagssitzungen zu beteiligen?
Ullrich: „Die Regelung für den 15. Mai ist eine Ausnahme, die nicht länger als unbedingt notwendig zum Tragen kommen wird. Wir erarbeiten ein Konzept mit Alternativen, wie die nächste Sitzung des Kreistages wieder stattfinden kann. Auch das werden wir selbstverständlich wieder mit den Fraktionen abstimmen.“

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