Herbstzeitlose: Droht nach 20 Jahren Erfolgsgeschichte das Aus?

Bad Orb
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Unter dem Motto „Nicht allein und nicht ins Heim“, das von Dr. Astrid Osterland aufgegriffen wurde, die als Sozialwissenschaftlerin das Pilotprojekt „Am Goldgraben“ in Göttingen begleitete, wurde 2002 in Bad Orb ein „Verein zur Förderung des selbstbestimmten Lebens und gemeinschaftlichen Wohnens im Alter“ gegründet und damit die Basis für das erste Gemeinschaftswohnprojekt im Main-Kinzig-Kreis geschaffen.



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Der gemeinnützige Verein „Die Herbstzeitlosen – Wohngemeinschaft 50 plus e. V.“ ist Träger des gleichnamigen Gemeinschaftswohnprojektes, in welchem Menschen ab einem Alter von 50 Jahren seit 2004 ein „Zuhause“ gefunden haben; einige davon nur vorübergehend (sie sind wieder ausgezogen), einige sind zwischenzeitlich gestorben. Zum Zeitpunkt 01.08.2021 bestand der Verein aus 45 Mitgliedern wovon 14 der Hausgemeinschaft angehörten. Ziel des Vereins ist, Schwierigkeiten, die durch das Altern entstehen, überwinden zu helfen und älteren Menschen die Möglichkeit zu erhalten, am Leben innerhalb der Gemeinschaft teilzunehmen. Die Pflege der Kontakte untereinander und das fürsorgliche Miteinander prägen das gemeinschaftliche Wohnen. Dazu gehört die grundsätzliche Bereitschaft zu helfen, aber auch Hilfe anzunehmen. Vorausgesetzt wird eine aufgeschlossene, interessierte und teilnehmende Grundhaltung der Bewohner/Bewohnerinnen.

Die Hausgemeinschaft bietet mehr als nur ein Dach über dem Kopf. Ihr Angebot umfasst Leistungen, die kein Zulieferbetrieb und auch kein Pflegedienst bietet: Zuwendung, Verständnis, Zuspruch, fortwährende Hilfestellung und dergleichen mehr. Das sind Leistungen, die nur im zwischenmenschlichen Bereich zu haben sind, kostenfrei erbracht von verständnisvollen, mitfühlenden und verantwortungsbewussten Mitmenschen. Das ist praktizierte Nächstenliebe. Gegenüber anderen Wohnprojekten, wie z.B. dem „betreuten Wohnen“ unterscheidet sich diese Hausgemeinschaft dadurch, dass hier Gemeinschaftlichkeit im Vordergrund steht. Die Bewohner ordnen sich nicht den Bestimmungen einer Institution unter, sondern organisieren sich selbst und leben nach ihren eigenen, den spezifischen Gegebenheiten angepassten Regeln. Jede Einzelperson bzw. jedes Paar in dieser Hausgemeinschaft hat ihre/seine eigene in sich geschlossene Wohnung und kann sich, wann immer der Wunsch danach besteht, dorthin zurückziehen. Bei aller Gemeinschaftlichkeit wird die Privatsphäre des Einzelnen respektiert. In Anerkennung für das ehrenamtliche Engagement zum Wohle von alten und älteren Menschen wurde der Verein „Die Herbstzeitlosen – Wohngemeinschaft 50 plus e. V,“ zusammen mit der Generationenhilfe Rüsselsheim e. V. im November 2007 für den Altenhilfepreis Hessen-Thüringen ausgelobt. Die Corona-Pandemie hat allerdings gemeinschaftliche Aktivitäten in den letzten beiden Jahren nahezu zum Erliegen gebracht und das Miteinander der Hausgemeinschaft stark beeinträchtigt, auch wenn gegenseitige Unterstützung im Haus nach wie vor gewährleistet ist. Der Verein bangt derzeit um seinen Fortbestand.

Hans Scheffka, Gründungsmitglied des Vereins, hat seine langjährigen Erfahrungen mit dem Bad Orber Wohnprojekt und der ehemaligen „Gelnhäuser Initiative für gemeinschaftliches Wohnen“ in einem „Leitfaden zur Planung und Ausgestaltung einer Hausgemeinschaft“ zusammengefasst und unter dem Titel „Mit Freu(n)den leben“ veröffentlicht. Das Buch kann unter ISBN978-1-627845-08-3 in jeder Buchhandlung bezogen werden.


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