Badesalz in Bad Orb: "Wir sind wie London und Linsengericht"

Bad Orb
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„Ihr beide müsst den Filmpalast zusammen weiterführen. Ihr müsst euch vertragen.“ Das Vermächtnis ihres ehemaligen Lehrers, der neben dem „Filmpalast“ auch einen Batzen Geld vererbt, stellt Heinz (Henni Nachtsheim) und Wolfram (Gerd Knebel) vor eine heftige Herausforderung: Seit der Schulzeit haben sich „Erdnuss“ und „Fackel“, wie die beiden genannt werden, nicht mehr gesehen – aus gutem Grund, denn „wir sind wie London und Linsengericht – ich und der Fackel“, wie es Heinz so schön formuliert. Ob sie „Kaksi Dudes“ werden, also „zwei Kumpels“ im Finnischen, wie der Titel des Bühnenprogramms des Duos Badesalz verspricht?



Das Bad Orber Publikum hat knapp zwei Stunden Zeit, das am Samstagabend herauszufinden.

Wobei: Einen nicht unbeträchtlichen Teil dieser Zeit verbringen die Gäste in der fast voll besetzten Konzerthalle mit Gelächter, dem Mitsingen von Nonsense-Texten und der Interaktion mit den beiden Künstlern, die schon seit den 80er Jahren zusammen auf der Bühne stehen. Nachtsheim, ehemals Sänger und Saxophonist der Rodgau Monotones, und Knebel, seinerzeit Sänger der hessischen Band „Flatsch“, haben das Publikum ab der ersten Minute voll im Griff. Etwa mit klugen Weisheiten von Mama: „Wer uffgibt, gibt uff, es sei denn, er gibt net uff.“ Das hessische Komiker-Duo macht vor nichts Halt: Fasching, Veganer, Hippies, Ausländer, Fitnesswahn, Transsexuelle – alle kriegen ihr Fett weg. Und das Publikum johlt. Der Abend, so scheint es, wird ganz nebenbei zur humorvollen Gesellschaftskritik, augenzwinkernd und ohne missionarischen Eifer.

Dafür aber mit Ideen, die an Skurrilität nicht zu übertreffen sind: Der „Filmpalast“ erweist sich mitnichten als Kino, sondern als abgerockte Videothek in einem Bauwagen (für dessen glänzende Requisite das Darmstädter Kikeriki-Theater verantwortlich zeichnet). Oder anders gesagt: „Eine beschissene, mit VHS-Kassetten bestückte Drecks-Videothek.“ Nur die Retrowelle kann diesem Laden noch auf die Beine helfen, sind sich Erdnuss und Fackel einig. Wie das gelingen soll? Zum einen mit umwerfender Fachkenntnis, wenn es darum geht, Filmtitel anhand wirrer Kundenbeschreibungen zu finden. Den Film mit dem Proktologen etwa („Goldfinger“), den, wo „so ein Typ vollkommen bekloppt durch die Gegend rennt“ („Bleed Runner“, wie Fackel weiß), oder den von einer Herde Schafe auf einer Weide und einem Typ mit Maschinenpistole („Das Schweigen der Lämmer“).

Zum anderen mit einem eigenen Ratgeber zum Thema „Intervallfressen“, der über den eigenen Videochannel „Fatflix“ promotet wird. Und einem Reiseratgeber mit „Tipps für schwierige Situationen, die es nirgends anders gibt“: Etwa, wenn „in Schweden ein Elch vor Dir steht und Streit sucht“. Dass der Elch Beziehungsprobleme hat: Versteht sich. Und dass die beiden Künstler das Zusammentreffen nicht nur beschreiben, sondern szenisch darstellen, versteht sich auch. Ebenso, dass der – begeistert mitgeklatschte - Narrhallamarsch erklingt, damit Erdnuss (Nachtsheim) eine schräge Büttenrede zum Erhalt der Videothek halten kann. Neue Zielgruppen werden gesucht, etwa bei den „qualmenden, schlecht tätowierten, dauerrauchenden, Aperol-Spritz-saufenden“ Müttern, für die neben den Getränken auch Aschenbecher beschafft werden müssen. Oder deren Kinder, für die es Märchen gibt. „Kinder lieben es, wenn sie kurz vor dem Einschlafen noch was vom Strangulieren hören.“ Und natürlich muss es „hessische Remakes“ geben von berühmten Filmen. Wie das gelingt? James Bond-Remakes etwa punkten mit einem Stück Handkäs statt der berühmten Olive im Wodka Martini. Und bei der hessischen Neuauflage von „Der letzte Tango von Paris“ gibt eine Apfelweinschütze „mit nix drunter“ zu bewundern.

Ohne Musik kommt ein solcher Abend nicht aus: Etwa beim Werbesong „Leih Dir ne VHS“, der aus den Veranstaltungsbesuchern einen gemischten Chor macht, der rollenverteilt die Auswahl „ob Romantik oder Western oder Porno-Exzess“ besingt. Oder bei „Yes Sir, I can Boogie“, mit dem Schlagen auf die Lederjacken als Percussion und einem schuhplattlernden Nachtsheim. Skurril und schräg die Geschichte vom Traum, in dem sich Erdnuss (Nachtsheim) in seinem eigenen Darm wähnt – mit rappenden Gangster-Polypen und den Amigos. Der prostatakranke Elefant, der Rezeptionist ohne Nase, die „Neuanordnung der Organe“ nach einem spontanen Einsatz in einem Operationssaal – keine Idee ist für das Programm zu schräg. Das Publikum feiert die beiden Künstler hymnisch und mit minutenlangem Applaus. Und bekommt von Knebel ein Kompliment zurück: „Danke für die geile Stimmung. Für Bad Homburg super...“ Denn so ist das beim Improvisieren, für das die beiden Künstler Preise verdient hätten: Schon mitten in der Show ist Knebel der falsche Ort rausgerutscht – und hat sich zum running gag des Abends entwickelt. Für die Programme der beiden typische Situationskomik halt, bei der die Dudes durchaus auch übereinander (und sich selbst) lachen können. Dabei sollten sie es eigentlich besser wissen: Schon 2004 standen sie bei einer Doppelaufführung erstmals in Bad Orb zusammen auf der Bühne – und mit „Kaksi Dudes“ bereits im vergangenen Jahr.

Unaufgelöst am Ende die Frage, wie es mit dem Filmpalast weitergeht. Die Hoffnung auf eine Fortsetzung bleibt...

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