Bad Orb: 800 Zuschauer feiern Kikeriki-Theater

Bad Orb
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Das Kikeriki-Theater aus Darmstadt sollte verschreibungspflichtig werden. Schließlich gilt es wissenschaftlich als erwiesen, dass Lachen positive Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Und gelacht wird am zurückliegenden Sonntagabend schrill, laut, viel und andauernd in der Bad Orber Konzerthalle, in der die Fachleute für hessische Unterhaltung aus der Darmstädter Comedy Hall das Stück „Watzmänner – Ein Albtraum für zwei (nicht schwindelfrei)“ auf die Bühne bringen.

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Schauspiel, Schattenspiel und Puppenspiel ergänzen sich zu einem regelrecht irrwitzigen Stück, das – so sagen es die Macher – „aus der Lust heraus, dem Volk aufs Maul zu schauen und beim Wiederkäuen kein Blatt vor den Mund zu nehmen“, entstand.

Dass zum durchaus eigenwilligen Stil des Theaters „auch ein liebevoll ironischer Umfang mit der spezifischen Mund- und Lebensart der Hessen“ gehört: Die 800 Gäste in der schon lange vorm Veranstaltungsabend ausverkauften Vorstellung lieben diesen Ton, haben – so wird es aus den Gesprächen in der Pause und nach rund zwei Stunden am Veranstaltungsende deutlich – zumeist schon etliche weitere Inszenierungen der Darmstädter besucht. Und wissen neben dem Wortwitz, der Skurrilität und Absurdität der Handlung auch die originelle Ausstattung des Bühnenbildes zu schätzen. Dass der Text nicht immer vor der „Hemmschwelle Gürtellinie“ haltmacht: Schwamm drüber. Dass Hessisch neben charmant auch derb sein kann –  Hessinnen und Hessen wissen das und lieben es.

Die Handlung ist schnell erzählt: Zwei Männer planen, gemeinsam den Watzmann zu besteigen. Einer der beiden ein Hesse, der vorgibt, „ein echter Bergführer zu sein“, obwohl „der einzische Bersch, den ich je erklomme hab, de Schuldenbersch“ ist. Dass er Hessisch und nicht Bayerisch spricht, „dass weiß ich auch, aber der weiß das doch nicht“. „Der“, das ist der Amerikaner und zweite Schauspieler auf der Bühne, der bereit ist, 1.000 Euro zu bezahlen, um auf den Watzmann gebracht zu werden („Yee-haw!“). Und damit fängt das Problem schon an, denn „klassisches Hessisch“ – wenn es so etwas denn überhaupt gibt - ist an dieser Stelle nicht mehr zu erwarten. Und auch kein Denglisch, also kein typischer deutsch-englischer Mischmasch. Es ist vielmehr die nun neu hinzu gekommene Sprache des „Henglisch“, der Kombination aus Hessisch und Englisch, die in irrwitziger Geschwindigkeit aus den beiden Wanderfreunden „Sepp“ (nein, das ist nicht der echte Name des Hessen) und dem namenlos bleibenden Amerikaner herausfließt. Auf der Bühne stehen in diesem beiden Rollen Felix Hotz und Florian Hartz – als Grundlage für ihre Auftritte dient ein grobes Handlungsgerüst. Und viel Improvisation, an der die Schauspieler erkennbar ebenso viel Freude haben wie ihr begeistertes Publikum.

Ins Spiel kommen nach der Schattenspielpassage beim Puppenspiel die „Heidi von den Bergen aus der Gletscherspalte 43D“, das Dekolleté „ein Wildlederfaltenrock“, und der „Ötzi“ („Donald Trump nach einem Zimmerbrand“). Für beide Figuren zeichnet Hanno Winter verantwortlich. Alles, außer politisch korrekt, möchte man spontan dem Theater attestieren – ein Konzept, das erkennbar bei den mehr als 800 Gäste aufgeht. „Was darf Theater? Alles!“, scheint für diesen Abend die Devise zu sein.

Von „Uffbackbrödsche“ („Was e Scheißsprach“) über die „deutsche Einbauküche mit 42 Metern Länge und 248 Küchengeräten“, von denen genau zwei genutzt werden (der Toaster und die Kaffeemaschine) bis hin zum „Heilische Bimbam“ (bitte im Slang als Bimbäm aussprechen) reicht die Liste der verbalen Absurditäten, die die Dialoge im Hotel „Edelweiß“ bestimmen, das früher der Familienbetrieb von der Edeltraud war, die sich hat scheiden lassen, sodass es jetzt eben Edelweiß heißt… „Zugeschissen“ ist eines der Worte, die am häufigsten fallen an diesem Abend, denn der Amerikaner glaubt aufgrund einer skurrilen Erklärung, das sei ein positiv besetzter Begriff. Dass er den Begriff „Sischerungskasde“ mitklatschen kann mit seinen „viereinhalb Silben“, der „fucking mountain“ das Synonym ist für den Vogelsberg und „Offenbach die Perle von Atlantis“ – keine Idee ist zu schräg, um nicht Eingang in das Stück zu finden.

Da werden Hämorrhoiden zu „deutschen Blumen“ erklärt, die am Vatertag verschenkt werden, ähnlich wie angeblich die Margeriten am Muttertag. Der „Hannebambel“ ist „das Gebembel der Henne, das Rote“. Der „Scheidebecher“ kommt aus dem Lateinischen von „Vagina Pokalis“. Die „Bergvagabunden“ versteht der Amerikaner als „Zwergdackelhunde“. Und auch Reminiszenzen an „typisch Hessisches“ dürfen nicht fehlen. „De Pappa hat de Grappa in die Tasch'“, erfährt der Amerikaner in bester Rodgau Monotones-Manier. Das Publikum wird involviert – sei es dadurch, dass der Sepp beim „Pullen“ den Berg hinab (da muss der „glatzköpfige Kriecher ans Tageslicht“) eher die ersten Reihen der Gäste trifft, sei es beim Mitsingen von Y.M.C.A. oder dem „Nippel“. Es hat seinen Spaß daran. Und es wird ganz sicher wiederkommen, wenn die Darmstädter sich erneut nach Bad Orb begeben. Yee-haw!

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