Wollte das Schulamt Fridays-For-Future-Demo in Gelnhausen verhindern?

Gelnhausen
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Hat das Staatliche Schulamt für den Main-Kinzig-Kreis versucht, Lehrer und Schüler von der Fridays-For-Future Demonstration am 20. September 2019 in Gelnhausen abzuhalten? Dieser Frage gehen die Aktivisten in einem Offenen Brief an das Schulamt nach.



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„Leider hat das Schulamt nicht auf unser Schreiben vom 19. September 2019 reagiert, sodass wir nun den Weg über die Öffentlichkeit suchen. Wir haben bei den Demonstrationen in Gelnhausen bewusst darauf geachtet, dass kein Unterricht geschwänzt werden muss. Dennoch steht der Verdacht im Raum, dass Lehrer vom Schulamt aufgefordert wurden, nicht an der Demonstration teilzunehmen oder Schüler davon abzuhalten. Wir hoffen, dass es sich um ein Missverständnis handelt, da wir sonst davon ausgehen müssen, dass das Schulamt das Versammlungsrecht verletzt“, begründet die Fridays-For-Future Aktivistin Clara vom Endt den Offenen Brief.

Mittlerweile haben sich auch die Initiatoren des Klimafestes auf der Müllerwiese dem Offenen Brief angeschlossen. Die von den People-For-Future Gelnhausen organisierte Kundgebung fand am gleichen Tag statt. „Es ist schon komisch, wenn das Schulamt nicht bemüht ist, einen solchen schwerwiegenden Verdacht aus der Welt zu räumen. Wir können es nicht tolerieren, wenn Menschen davon abhalten werden, auf unseren Veranstaltungen ihre vom Grundgesetz zugesicherten Rechte wahrzunehmen. Bereits am 29. November 2019 werden wir die nächste Demonstration in Gelnhausen stattfinden lassen. Deshalb sollte es sowohl ein Anliegen des Staatlichen Schulamtes, als auch von uns sein, dass dieses Missverständnis geklärt ist. Niemand, der an unseren Demonstrationen teilnehmen will sollte eingeschüchtert werden“, erklären die beiden Sprecher der People-For-Future-Ortsgruppe, Marjorie Vannieu und Andreas Hlasseck.

Das Staatliche Schulamt habe nun bis Freitag, 18. Oktober 2019, Zeit, auf den Offenen Brief zu antworten. Die Fridays-For-Future-Bewegung rief am 20. September 2019 allein in Deutschland in 575 Städten zur Teilnahme an Demonstrationen auf. Neben der Fridays-For-Future Ortsgruppe Gelnhausen gründete sich auch eine People-For-Future Ortsgruppe, eine Gruppe von Eltern und anderen erwachsenen Menschen, die in Solidarität zur Fridays-For-Future Bewegung stehen. Auch beim kommenden weltweiten Aktionstag am 29. November 2019 sind Aktionen in Gelnhausen geplant.

Offener Brief bezüglich einer möglichen Verletzung des Rechtes auf Versammlungsfreiheit durch das Staatliche Schulamt für den Main-Kinzig-Kreises (im Wortlaut):

Sehr geehrte Damen und Herren des Staatlichen Schulamtes für den Main-Kinzig-Kreis,

mit E-Mail vom 19. September 2019 bat die Fridays-for-Future Ortsgruppe Gelnhausen freundlich um Auskunft, inwiefern das Staatliche Schulamt für den Main-Kinzig-Kreis Einfluss darauf genommen hat, eine Teilnahme für Schüler*innen und Lehrer*innen an einer unserer beiden Demonstrationen in Gelnhausen am Freitag, 20. September 2019 (Klimafest und Demonstrationszug) zu erschweren oder verhindern. Leider haben Sie bislang nicht auf unser Schreiben geantwortet.

Mit diesem Offenen Brief wenden sich die Fridays-for-Future Ortsgruppe Gelnhausen, aber auch die People-for-Future Ortsgruppe Gelnhausen an Sie und bitten um eine Antwort bis Freitag, 18. Oktober 2019. Gleichzeitig bitten wir darum, uns bis zur oben genannten Frist etwaige Schreiben an die Schulen zur weiteren rechtlichen Prüfung zur Verfügung zu stellen. Wir möchten für die Belange eintreten, die auch in Hessen fachübergreifend auf dem Lehrplan stehen und deren Einbeziehung in alle Fachbereiche das Kultusministerium z.B. im „Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung“ festgelegt hat, nämlich den Schutz der Umwelt und des Klimas im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Wir betonen nochmals, dass es sich bei den beiden angemeldeten Demonstrationen am 20. September 2019 explizit um Demonstrationen gehandelt hat und um keinen Streik, deshalb fand der Demonstrationszug durch die Innenstadt Gelnhausens auch NACH der Schule und die Demonstration auf der Müllerwiese gar bis 15 Uhr statt. Im Zusammenhang mit den beiden Demonstrationen gab es verschiedene Rückmeldungen aus der Politik, aber eines hatten diese alle gemeinsam: Solange die Demonstrationen nach der Schule stattfinden, freuen sich alle Parteien darüber, dass Menschen politisch aktiv werden. Der Lehrplan - vor allem im Bereich Politik - hat in Hessen das Ziel, die Schüler*innen zu mündigen Bürgern zu erziehen, die für die Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung, und somit eben auch für den Schutz der Umwelt (Art. 20a GG) einstehen. So auch die Aussage unserer Bundeskanzlerin.

Wir sind uns dessen bewusst, dass Lehrer*innen als Beamte gem. Art. 33 V GG kein Streikrecht haben. Dies ist aber vorliegend nur einschlägig, wenn die Lehrer*innen zu dem Zeitpunkt der Demonstration Unterricht haben. Wieso sollten Lehrer*innen, die keinen Unterricht haben, nicht als Privatpersonen an einer Demonstration teilnehmen dürfen? Mit diesem Schreiben wollen wir uns absichern, dass das von Ihrer Seite auch so kommuniziert wird.

Sollte von Ihnen eine Kommunikation mit den Schulen in der Weise stattgefunden haben, dass Sie generell die Teilnahme an der Demonstration verbieten, würde dies aus unserer Sicht eine Verletzung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG darstellen. Das Bundesverwaltungsgericht hat darüber hinaus geurteilt, dass Beamten sogar erlaubt sein muss, Solidarität gegenüber Streikenden zu bekunden, solange dies in Ihrer Mittagspause oder in der Freizeit geschieht (BVerwG vom 23.02.1994, AZ 1 D 48/92). Erst Recht muss den Lehrer*innen also erlaubt sein, solange sie keinen Unterricht oder Aufsichtspflicht zu dieser Zeit haben, an Demonstrationen wie den unseren teil zu nehmen.

Welche Kommunikation mit den Schulen hat von Seiten des Staatlichen Schulamts für den MainKinzig-Kreis bezüglich der beiden Demonstrationen in Gelnhausen, bzw. des globalen Aktionstages am 20. September 2019 stattgefunden?Wie gedenkt das Staatliche Schulamt in Zukunft mit den Schulen bezüglich unserer Aktionstage zu kommunizieren? Vielen Dank für Ihre Kooperation.

Mit freundlichen Grüßen
Clara vom Endt
Marjorie Vannieu
Andreas Hlassek


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