Joh-Streit in Gelnhausen: "Verhandelt wie auf einem Basar"

Gelnhausen
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Nach der Absage der Kreissparkasse Gelnhausen will die Stadtspitze das Areal des ehemaligen Kaufhauses Joh in der Barbarossastadt nun in Eigenregie entwickeln. „Wo eine Tür zu geht, geht eine andere auf“, haben sich laut Bürgermeister Daniel Glöckner (FDP) bereits direkt nach Bekanntwerden der neuen Entwicklung auch neue Investoren angeboten. Für den überraschenden Ausstieg der Kreissparkasse fand am Freitag auf einer Pressekonferenz der 1. Stadtrat Volker Rode (CDU) deutliche Worte: „So kann man im Geschäftsleben nicht miteinander umgehen.“



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Gesprochen wurde auf der Pressekonferenz zwar meist von der „Kreissparkasse“, allerdings hat von dieser Seite laut Rode nur einer die Verhandlungen geführt: der Vorstandsvorsitzende Horst Wanik. Dieser hatte in einer Pressemitteilung am Mittwoch unter anderem die fehlende breite parteiübergreifende Unterstützung in Gelnhausen für den Ausstieg an den Planungen angeführt. „Es liegt kein Versagen der städtischen Gremien vor“, antwortet nun Rode auf diese Vorwürfe. Als Erster Stadtrat war er der städtische Verhandlungsführer, da sich Bürgermeister Glöckner als Verwaltungsratsmitglied der Kreissparkasse aus den Gesprächen zurückgezogen hatte.

Rode war laut eigener Aussage sehr überrascht über den Verhandlungsstil der Kreissparkasse, betrachtet das Verhalten dabei auch aus Sicht eines mittelständischen Unternehmers. „Es wurde verhandelt wie auf einem Basar“, lassen sich seine Aussagen so verstehen, als sei das Projekt letztlich mindestens eine Nummer zu groß für die Kreissparkasse gewesen. „Hätten wir die Pläne im vergangenen Jahr forciert, wäre die Kreissparkasse vermutlich dann schon ausgestiegen“, wirft das von Rode angeführte Verhalten von Wanik neue Fragen auf. Schließlich steht die Kreissparkasse unter politischer Kontrolle, Verwaltungsratsvorsitzender ist Landrat Thorsten Stolz (SPD). Wenn der Vorstand der Kreissparkasse Gelnhausen, dem neben Horst Wanik auch noch Ole Schön angehört, so eine folgenreiche Entscheidung tatsächlich ohne Rücksprache mit dem Verwaltungsrat getroffen haben sollte, wären personelle Konsequenzen wohl unabdingbar.

Zumal auch ein immenser finanzieller Schaden entstanden ist: Laut Rode hat die Stadt Gelnhausen seit Verhandlungsbeginn mit der Kreissparkasse circa 300.000 Euro in die Pläne investiert, in einer vergleichbaren Größenordnung dürfte der Betrag liegen, der beim Geldinstitut angefallen ist. „Das muss jetzt allerdings bei der Kreissparkasse geregelt werden“, wollen sich Rode und Glöckner jedoch ausdrücklich nicht an Schuldzuweisungen beteiligen. Vielmehr richten sie jetzt den Blick nach vorne.

Der neue Plan: Die Stadt Gelnhausen entwickelt das Joh-Areal in Eigenregie und nimmt dabei gleich die komplette Südstadt vom Bahnhof bis zur Kinzig in den Blick. „Der Reset-Knopf ist für uns das Beste“, könnte dort laut Glöckner ein weiteres städtisches Zentrum, „ein dritter Marktplatz neben Unter- und Obermarkt“ entstehen. Die bereits auf den Weg gebrachten Bebauungspläne sollen von den städtischen Gremien wie geplant beschlossen werden, außerdem würde der Gelnhäuser Bürgermeister gerne Planungsbüros engagieren, um Ideen für die Südstadt rund um das ehemalige Joh-Areal zu entwickeln. Das Thema „Wohnen“ soll dabei neu in den Blickpunkt rücken, ob allerdings auch der Main-Kinzig-Kreis wie bislang geplant Verwaltungsräume anmieten wird, sei noch offen. Entsprechende Signale seitens der Kreisspitze seien nach dem Aus der Kreissparkassen-Pläne bislang noch nicht bei ihm angekommen.

Wie sich das Verhältnis zwischen Stadt und Bank entwickeln wird, scheint momentan ungewiss. Glöckner und Rode, die als Beweis für die städtischen Bemühungen extra eine Chronologie der Verhandlungen anfertigen ließen, sprechen zumindest von einem Vertrauensverlust, der sich angesichts der langen gemeinsamen Geschichte spätestens mit neuen Protagonisten aber wohl wieder kitten ließe. Beendet sind die Verhandlungen ohnehin noch nicht, denn das direkt mit dem ehemaligen Joh-Gebäude verbundene so genannte „Ditzelhaus“ ist noch im Besitz der Kreissparkasse und soll nun – wie laut Angaben der Stadtspitze vereinbart – kostenneutral an die Stadt verkauft werden. Glöckner und Rode sind aber froh, danach eigenständig handeln zu können. „Wir wollen das allein machen“, betont Glöckner ausdrücklich und nennt zumindest den Namen eines möglichen Investors: Auch die Dietz AG aus Bensheim, bislang an der Seite der Kreissparkasse, habe sich bereits angeboten, die Pläne für das Joh-Areal fortzuführen. Natürlich dann ohne die Kreissparkasse.

Foto: Bürgermeister Daniel Glöckner (links) und 1. Stadtrat Volker Roden nehmen auf einer Pressekonferenz zur Entwicklung des Joh-Areals Stellung.

Chronologie Vorkaufsrechte:

Stadtverordnetenversammlung vom 22. Mai 2019:

Joh: Die Stavo beschließt einstimmig, die SEG zu beauftragen, mit MKK und KSK zu verhandeln, ob und in welcher Form es möglich ist, das Anwesen Joh sowie mögliche Parkplatzflächen an die KSK zu veräußern.

Ditzelhaus: Es wird in der Sitzung vom 22. Mai 2019 ebenfalls beschlossen, das Kaufangebot der BCO nicht anzunehmen und hilfsweise die SEG zu beauftragen, sollten die Verkaufsverhandlungen mit dem MKK und der KSK erfolgreich sein und diese das Ditzelhaus für die Umsetzung ihrer Pläne benötigen, das notarielle Kaufangebot der BCO vor Ablauf der Frist (August 2019) anzunehmen.

Stadtverordnetenversammlung 28. August 2019:

Ditzelhaus: Mit der vorläufigen Insolvenzverwalterin der BCO wird vor dem Verfall der Rechte zum Ankauf des Ditzelhauses eine Prolongation vereinbart, mit der Möglichkeit der Abtretung des Ankaufsrechtes an die Kreissparkasse Gelnhausen. Die ursprüngliche Geltungsdauer wird auf 31. Januar 2020 verlängert. 

Stadtverordnetenversammlung 29. Januar 2020:

Ditzelhaus: Es erfolgt eine weitere Prolongation des Ankaufsrechts, die Frist wird bis 30. Juni 2020 verlängert.

Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 3. Juni 2020 (abschließende Beratung als Corona-Notparlament, Bestätigung durch die Stadtverordnetenversammlung 5. August):

Parkraumkonzept Südstadt – Entwicklung und Realisierung auf städtischen Grundstücken

In dieser Sitzung wird beschlossen, den Magistrat zu beauftragen, im Rahmen des Parkraumkonzeptes Südstadt Grundstücke für zusätzlichen innerstädtischen Park-, Geschäfts- und Wohnraum zu vermarkten, darunter auch der Parkplatz des ehemaligen Kaufhauses Joh in der Hailerer Straße. Die Entwicklung soll parallel zur Umgestaltung des Joh-Areals erfolgen.

In der Sitzung beschließt der HFA auch, dem notariellen Angebot zum Abschluss eines Kaufantrages über das Joh-Gelände für die KSK Gelnhausen zuzustimmen. Für den Fall, dass die KSK das Ankaufsrecht Ditzelhaus erhält und ausübt, aber das vorliegende Angebot über das Joh-Gelände nicht ausübt, verpflichtet sich die KSK das Ditzelhaus zum Erwerbspreis an die Verkäuferin SEG zu übertragen.

Stadtverordnetenversammlung vom 2. September 2020:

Ditzelhaus: Das Ankaufsrecht für das Ditzelhaus wird bis zum 31. Dezember 2020 verlängert.

Stadtverordnetenversammlung 4. November 2020:

Der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Dienstleistungszentrum Südstadt wird gefasst.

Stadtverordnetenversammlung 9. Dezember 2020:

Joh: Dem Antrag der Kreissparkasse auf Verlängerung des notariellen Ankaufsrechts für die ehemalige Joh-Immobilie bis zum 30. Juni 2021 wird zugestimmt.

Stadtverordnetenversammlung 24. Februar 2021:

Die Neuaufstellung des Bebauungsplans Dienstleistungszentrum Südstadt im beschleunigten Verfahren wird beschlossen. Die Vorlage umfasste das bereits beschlossene Areal Joh und dazu neu das Parkhaus Hailerer Straße.

Stadtverordnetenversammlung 24. März 2021:

Joh: Das notarielle Ankaufsrecht der KSK Gelnhausen für die ehemalige Joh-Immobilie wird bis zum 30. September 2021 verlängert.

Stadtverordnetenversammlung 15. September 2021:

Joh: Verlängerung des notariellen Ankaufsrechts der KSK für die ehemalige Joh-Immobilie bis zum 31. Januar 2022.


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