Putzmeister-Aus in Gründau: Noch im Dezember war angeblich alles gut

Rothenbergen
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Der Schock nach der Ankündigung des Unternehmens Putzmeister, den Standort in Gründau-Rothenbergen zu schließen (wir berichteten), sitzt tief: „Mich hat das völlig überrascht“, erfuhr Hans Kroth (SPD), 1. Beigeordneter der Gemeinde Gründau, am Mittwochnachmittag von den Plänen. Der Betonpumpenspezialist will die 250 Arbeitsplätze in Gründau in die Türkei verlagern und den Standort im Main-Kinzig-Kreis nach über drei Jahrzehnten komplett aufgeben. Gewerkschaft und Politik reagieren empört auf die Pläne.



Hans Kroth denkt zunächst an die Arbeitnehmer: „Viele hochqualifizierte Kräfte, für die ist das natürlich besonders schlimm“, geht er dennoch davon aus, dass die meisten schnell eine neue Beschäftigung finden. Am Donnerstagvormittag telefonierte er mit Christoph Kaml, CEO der Putzmeister Gruppe, eine Chance, das Unternehmen doch noch zum Bleiben zu bewegen, machte er dabei nicht aus. „Auch mir gegenüber hat er die wirtschaftlichen Gründe angeführt“, sei dies letztlich eine unternehmerische Entscheidung. Kroth hofft nun, dass im PRIMUS Industriepark in Rothenbergen, in dem Putzmeister derzeit angesiedelt ist, möglichst schnell neue Nutzer für das Areal gefunden werden. „Dort sind ja bereits zahlreiche Betriebe und wir planen direkt gegenüber ein weiteres Gewerbegebiet. Die Nachfrage ist riesig, daher mache ich mir darüber eher weniger Sorgen“, sei aber der Einfluss der Gemeinde auch hier begrenzt, da der Industriepark in privater Hand sei.

Privater Hand stimmt, allerdings quasi auch Putzmeister: Eigentümer und Geschäftsführer des Industrierparks ist Karl Schlecht, einst Gründer des Betonpumpenherstellers. Ob es auch Pläne gibt, das komplette Gewerbeareal abzustoßen, das durch die WIBAU, einst einer der größten Arbeitgeber der Region, bekannt wurde, dazu wollte sich ein Unternehmenssprecher am Donnerstag nicht äußern. Offiziell habe man noch gar keine Nachricht von Putzmeister erhalten, dass der Standort in Gründau aufgegeben werde.

Die Arbeitnehmervertretung wurde am Mittwoch über die Unternehmensentscheidung in Kenntnis gesetzt. Die Betriebsräte der betroffenen Werke, Gründau und Aichtal/Heimertingen, äußerten sich bestürzt über die Entscheidung des Managements. Insbesondere verwiesen sie auf den im Jahr 2019 vereinbarten umfangreichen Standortsicherungstarifvertrag. Der Betriebsratsvorsitzende des Werks Gründau, Alexander Müller, betonte nach der Informationsveranstaltung: „Die Beschäftigten stehen jetzt vor ihrem existenziellen Ruin. In dieser strukturschwachen Region ist das nicht nur völlig unverantwortlich den Beschäftigten gegenüber, sondern auch gegenüber der Region.“ Kevin Eckert von der IG Metall Hanau-Fulda äußerte sich ebenfalls erschüttert und kündigte an, das weitere Vorgehen intensiv zu prüfen und sich gemeinsam mit den Beschäftigten für den Erhalt der Arbeitsplätze einzusetzen. Jörg Löffler, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Putzmeister Concrete Pumps, kommentierte die Entscheidung als „unternehmerisch völlig sinnfrei“, da sie den Erfolg der gesamten Gruppe gefährde. Besonders verwerflich in diesem Zusammenhang sei, dass den Beschäftigten in Gründau in der vergangenen Betriebsversammlung im Dezember von der Geschäftsführung noch erklärt wurde, Gründau ist und bleibt das Leitwerk für Stahlbau in der Putzmeister-Gruppe. In Aichtal sind derzeit über 1.100 Mitarbeitende in vier Gesellschaften beschäftigt. Alessandro Lieb, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Esslingen, betonte die Notwendigkeit, die unternehmerische Entscheidung unter Berücksichtigung des gültigen Standortsicherungstarifvertrags zu überprüfen: „Für uns steht in allererster Linie, dass das, was das Management vorgestellt hat, nicht unserer Vorstellung entspricht.“

Mit dem Betriebsrat in Gründau will sich am Freitag Landrat Thorsten Stolz (SPD) treffen. Die Information über diese Entscheidung erreichte das Landratsamt am Mittwoch zeitgleich mit der Mitteilung an die Presse. „Wir sind überrascht und betroffen von dieser Entwicklung und werden auch mögliche Aktionen und Maßnahmen der Belegschaft und ihrer Familien unterstützen“, erklärt Stolz. Im Austausch mit dem Betriebsrat werde es nun darum gehen, mögliche Hintergründe zu erfahren und entsprechende Schritte und Unterstützungsmöglichleiten zu erörtern. Ein besonderes Augenmerk liege zudem auf den Inhalten des Standortsicherungstarifvertrages, der 2019 vereinbart worden sei.  „Es ist wichtig, dass Betriebsrat, Belegschaft und Politik zusammen das Ziel verfolgen, Arbeitsplätze am Standort Gründau zu erhalten. Derzeit ist die Ankündigung des Unternehmens für uns nicht nachvollziehbar und ich überzeugt, dass auch vor dem Hintergrund des Sicherungstarifvertrages das angekündigte Vorgehen der Geschäftsführung keine Akzeptanz finden wird“, macht der Landrat deutlich. Eine weitergehende Bewertung werde nach dem Gespräch mit dem Betriebsrat stattfinden.

"Diese Entscheidung ist ein schwerer Schlag für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen trotz eines Standortsicherungsvertrages bis 2028 nun gekündigt werden soll", hat die CDU Main-Kinzig noch viele Fragen an die Geschäftsführung von Putzmeister zu den Hintergründen dieser Entscheidung. „Die Ampelregierung hat es mit ihrer fehlgeleiteten Wirtschafts- und Energiepolitik versäumt, sichere Rahmenbedingungen für die künftige Entwicklung der heimischen Wirtschaft zu schaffen. Dennoch konnte Putzmeister im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn verbuchen und hat den Mitarbeitern eine Standortgarantie bis 2028 ausgesprochen. Wieso die Geschäftsführung nun trotz dieser Zusage den Standort in Gründau in die Türkei auslagern will, erschließt sich uns nicht und muss mit der Geschäftsleitung geklärt werden“, so der Kreisvorsitzende der CDU Main-Kinzig und Landtagsabgeordnete Max Schad. Die Ankündigung von Putzmeister erfolge in einer Zeit intensiver Diskussionen über den Verlust der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands durch die Auswirkungen der derzeitigen Wirtschafts- und Energiepolitik der Bundesregierung. Dennoch könne sich das Unternehmen nicht einfach hinter dieser Diskussion wegducken, ohne die genauen Beweggründe der kurzfristigen Standortverlagerung offenzulegen. Dies sei man aus Sicht der CDU den zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schuldig. Auch der für Gründau zuständige CDU-Landtagsabgeordnete Patrick Appel stellt sich an die Seite der Mitarbeiter von Putzmeister: „Natürlich leisten die wirtschafts- und energiepolitischen Fehlentscheidungen der Berliner Ampelregierung ihren Beitrag zur Unattraktivität des deutschen Wirtschaftsstandorts. Dennoch: Laut den eigenen Unternehmenswerten behauptet Putzmeister auch, dass es seine Integrität niemals der Rentabilität unterordnen werde und ohne zu zögern auf persönlichen und unternehmerischen Erfolg verzichtet, wenn die eigene Integrität auf dem Spiel steht. – Es wäre genau jetzt an der Zeit, dass die Verantwortlichen beweisen, dass es sich bei diesen selbsterklärten Werten nicht nur um hohle Marketingphrasen handelt und sie sich ihrer unternehmerischen Verantwortung für die Mitarbeiter und deren Familien stellen.“

Auch die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen übt Kritik am Stellenabbau bei Putzmeister: „Wir stehen voll und ganz hinter den Beschäftigten bei Putzmeister“, ist für den Fraktionsvorsitzenden Jakob Mähler die Entscheidung „in keiner Weise nachvollziehbar“. Auch den Verweis auf Energie- und Produktionskosten lässt er nicht gelten: „Während diese aber hierzulande wieder sinken, wir dennoch eine Verlegung der Stahlproduktion angestrebt. Hier wird deutlich, dass es dem Unternehmen in chinesischer Hand nicht um eine Unternehmenssicherung, sondern um eine Gewinnmaximierung geht, ohne Rücksicht auf heimische Produktion.“ Mähler verweist auf die Standortsicherungsvereinbarung: „Ein aktuell gültiger Vertrag ist, ohne Wenn und Aber, durchzusetzen. Hierfür werden wir uns entsprechend stark machen und fordern die politischen Vertreter auf Kreis- und Landesebene auf, entsprechende Gespräche zu führen, mit dem Ziel, den Gründauer Standort zu erhalten.“ 

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