"Ärztliche Stellungnahmen sind mit Vorsicht zu genießen"

Gründau
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Elf verschiedene Diagnosen hatte eine Psychotherapeutin aus Hanau für eine notorische Ladendiebin gestellt und damit dazu erheblich beigetragen, dass ihr bei einer Gerichtsverhandlung in Büdingen vor drei Jahren eine verminderte Schuldfähigkeit zugestanden wurde. Im Amtsgericht Gelnhausen löste diese ärztliche Begutachtung jetzt Kopfschütteln aus: Die 54-Jährige war nach einem Diebstahl im Media-Markt in Gründau im September 2016 erneut angeklagt, ein Psychiater aus Gelnhausen diagnostizierte diesmal „nur“ eine mittelschwere Depression.

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„Auch ärztliche Stellungnahmen sind mit Vorsicht zu genießen“, verurteilte Strafrichter Dr. Wolfgang Ott die zweifache Mutter zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe. Die Staatsanwaltschaft hatte sogar eine Verurteilung ohne Bewährung beantragt. Die zigfach vorbestrafte Büdingerin hatte im Media-Markt in Gründau ein Mobiltelefon „mitgehen“ lassen.

Nachdem die zweifache Mutter am 24. September 2016 kurz vor 17 Uhr den Elektronikfachmarkt betreten hatte, wurde sie fortan von einem Ladendetektiv via Überwachungskameras beobachtet. In Begleitung war sie von einer jungen Frau, ob es sich dabei um ihre Komplizin handelte, ließ sich in der Verhandlung nicht klären. Auf jeden Fall standen beide Frauen wenig später an einem Wühltisch mit mehreren Mobiltelefonen und die Jüngere reichte der Angeklagten das Motorola-Gerät, das zu einem Verkaufspreis von 549 Euro angeboten wurde.

Mit dem Telefon spazierte sie zunächst durch den Markt, in einem vermeintlich unbeobachteten Moment griff sie dann zu einem mitgebrachten Messer und schnitt die Sicherheitsbänder durch. Als sie den Kassenbereich ohne zu bezahlen passiert hatte, schritt der Ladendetektiv ein. Die Videoaufnahmen ließen sich auf der im Gerichtssaal zur Verfügung stehenden Technik zwar nicht abspielen, nach einem Geständnis der 54-Jährigen gab es aber am Tatablauf keine Zweifel mehr.

Das Problem der Angeklagten: Seit 2001 war sie mehrfach verurteilt worden, immer wegen Diebstählen, zuletzt stand sie im September 2015 vor dem Amtsgericht Büdingen und „kassierte“ eine zweimonatige Bewährungsstrafe. Damals hatte sie im „Kik“ Bekleidung im Wert von 63,94 Euro gestohlen. Der Wert des Diebesgutes in Gründau war zwar wesentlich höher, da der Ladendetektiv schnell reagierte, konnte das Telefon aber nach der Sicherstellung wieder in den Verkauf gehen.

Staatsanwalt Oliver Piechaczek sah dennoch keine Möglichkeit für eine Bewährung und unterstellte der Angeklagten ein planvolles Vorgehen. Auch Richter Ott sprach von einem kriminellen und überlegten Handeln, gab der 54-Jährigen aber nochmals eine vermutlich letzte Chance: Die sechsmonatige Haftstrafe wegen Diebstahls wurde für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist rechtskräftig.


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