Erstmals Preis für Nachwuchshistorikerin vergeben

Hanau
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Der Hanauer Geschichtsverein 1844 e. V. vergab am Dienstag, den 18. September 2018, erstmals den Anton Calaminus-Preis im Rahmen seines Geschichtswettbewerbes „Welche Geschichte(n) schreibt deine Stadt?“ im Blauen Saal des Schlosses Philippsruhe.



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Teilnahmeberechtigt waren alle weiterführenden Schulen aus dem Altkreis Hanau. Unter einer Vielzahl von Einsendungen war die Arbeit von Pauline Hornung für den Hauptpreis von der mehrköpfigen Jury ausgewählt worden. Damit reiht sich die aus Erlensee stammende Nachwuchshistorikerin, die kurz vor ihrem Abitur am Franziskanergymnaisum Kreuzburg steht, als erste Trägerin des Anton Calaminus-Preises zugleich in die 184jährige Geschichte des Vereins ein.

In ihrer als Abschlussarbeit an der Mädchenrealschule St. Josef entstandenen Untersuchung zeichnet Hornung die Einsatzorte ihres Urgroßvaters Walter Bernges aus Erlensee (Langendiebach) im Zweiten Weltkrieg nach. Zu der Geschichte ihres Urgroßvaters sei sie dabei aber eher durch Zufall geraten, wie die Preiträgerin in ihrer Rede einleitend feststellte. Denn nach ihrer Geburt zog es die Familie berufsbedingt zunächst weg aus Erlensee: Zunächst nach Westfalen und von dort aus nach Brüssel. Gerade während ihres Besuchs der internationalen Deutschen Schule Brüssel in Sterrebeek lernte sie Menschen vieler Nationalitäten kennen. Die Zeit in Brüssel machte ihr deutlich, offen, tolerant und ohne Vorbehalte auf alle zuzugehen. Erst nach dem erneuten Umzug in das Haus ihrer Urgroßeltern in Erlensee und der hiermit einhergehenden Renovierung des aus dem Jahr 1880 stammenden Hauses fielen ihr Fotoalben in die Hände, in denen sie auf Fotografien stieß, die ihren Urgroßvater als Soldat an verschiedenen Orten zeigten. Es sei sofort angefangen, in ihren Gedanken zu arbeiten: Wer war dieser Uropa, der mit 19 Jahren in den Krieg ziehen musste? Was geschah, von der Weltgeschichte unbeachtet, in der großen Masse des Leids untergehend, aber stellvertretend für viele seines Alters, mit einem jungen hoffnungsvollen Mann, der sich den „braunen Radau“ bestimmt nicht ausgesucht hatte und trotzdem „mitmachen“ musste? Sie setzte sich sofort an die Arbeit und zeichnete die Lebensgeschichte Walter Bernges in den Kriegsjahren bis zu seiner abenteuerlichen Flucht aus dem US-Kriegsgefangenenlager Kreuznach – initiiert durch seine Ehefrau – nach. Nicht nur, dass mit ihrer Forschung die Geschichte ihres Urgroßvaters stellvertretend für viele junge Männer seines Jahrgangs nicht mehr verloren gehen könne, sondern auch ihr selbst habe die Recherche geholfen, mit ihrer neuen Heimat vertraut zu werden. Auf diese Weise, so konstatierte die Preisträgerin in ihren Abschlussworten, hofft sie, ein klein wenig dazu beizutragen, dass niemals wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen werde.

Hierauf verwies auch die Laudatorin Dr. Alice Noll, die sich zugleich voller Bewunderung ob der enormen Forschungsleistung angesichts der jungen Jahre der Preisträgerin äußerte. Noll strich heraus, dass es Pauline Hornung gelungen sei, den Weg eines unbedarften jungen Mannes, aus dessen Fotos zunächst die staunende Neugier auf fremde Länder und Städte sprechen, bis dann der Kriegsalltag ihn allmählich einholte, durch die Wirren des Krieges in klaren Worten zu skizzieren, um so der Masse von Kriegsschicksalen ein Gesicht zu geben.

Der Vereinsvorsitzende, Michael H. Sprenger, betonte in seiner Begrüßung die Bedeutung, die dieser neu geschaffene und aus Vereinsmitteln dotierte Nachwuchspreis für die Geschichte des Vereins selbst habe. Durch diesen wolle man einerseits junge Menschen dem Verein näher bringen, andererseits diese aktiv auffordern, sich mit Geschichte zu beschäftigen: „Sie müssen vermittelt bekommen, dass Geschichte nicht nur ein mehr oder weniger langweiliges Schulfach ist bzw. war, nein, dass gerade die Beschäftigung mit der Geschichte vor Ort, der eigenen Gemeinde oder der eigenen Familie durchaus spannend ist.“ In diesem Zusammenhang beleuchtete er auch, warum dieser Preis nach dem Mitbegründer und 1. Vorsitzenden des Vereins, Anton Calaminus (1808-1868), benannt wurde, seinerzeit Pfarrer an der Hanauer Marienkirche.

Dem Festakt wohnten neben der Familie von Frau Hornung und zahlreichen Mitgliedern des Hanauer Geschichtsvereins die Stadtverordnetenvorsteherin Beate Funck und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky bei. Kaminsky zeigte sich höchst erfreut über die Idee eines solchen Wettbewerbs und lobte ihn als sinnvolle Ergänzung zur Einrichtung des Hanauer „Stadthistorikers“. Zugleich machte er angesichts neuester gesellschaftspolitischer Spannung sehr deutlich, dass die deutsche Geschichte zwischen 1933 und 1945 im Allgemeinen und das Schicksal Hanaus vom 19. März 1945 nur aus dem Jahr 1933 heraus erklären ließen und man nicht die ursächlichen Zusammenhänge auseinanderreißen dürfe. Dass junge Menschen sich mit dieser Zeit kritisch auseinandersetzen würden, strich Kaminsky gerade deshalb anerkennend heraus. Insofern sei es der richtige Weg, dass der Hanauer Geschichtsverein 1844 e. V. sich verstärkt der Jugendförderung widme und auf diese Weise zugleich das Geschichtsbewusstsein einer ganzen Stadt und der Region fördere.

Pauline Hornung erhielt neben einer Urkunde und einem Bücherpaket eine für ein Jahr gültige Ehrenmitgliedschaft im Verein, verbunden mit allen Vorteilen für Vereinsmitglieder, und zudem ein dieses Mal erhöhtes Preisgeld in Höhe von 200 €. Die Feierstunde wurde ferner von einem Schüler der Hohen Landesschule, Dominik Stipic, musikalisch am Flügel umrahmt.

Der Wettbewerb geht im Übrigen dieses Jahr in die zweite Runde. Arbeiten von Schülerinnen und Schülern – gerne auch Gruppenarbeiten – mit Bezug zur Hanauer Geschichte können bis zu Beginn der Sommerferien an den Organisator des Wettbewerbes, Dr. André Griemert (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), eingesendet werden.

Foto: Frau Dr. Noll bei ihrer Lautatio auf die Preisträgerin Pauline Hornung.

Foto: Die Preisträgerin Pauline Hornung nach Überreichung der Urkunde, gerahmt von OB Claus Kaminsky und dem Vereinsvorsitzenden Michael H. Sprenger. Links der Organisator des Wettbewerbs und Leiter der AG Schulkontakte im HGV Dr. André Griemert.

Fotos: Uwe Hansen


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