Die Terrornacht in Hanau: Noch viele offene Fragen

Hanau
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Zu Details der Terrornacht in Hanau macht die Polizei weiterhin keine Angaben. „Der genaue Tathergang ist noch Gegenstand der Ermittlungen, daher halten wir uns zurück“, erklärte Bundeskriminalamts-Präsident Holger Münch am Freitag in der Bundespressekonferenz in Berlin. Damit bleibt auch weiterhin offen, was Tobias R. nach seinen letzten tödlichen Schüssen am Kurt-Schumacher-Platz im Stadtteil Kesselstadt um kurz nach 22 Uhr am Mittwochabend gemacht hat. Erst circa fünf Stunden später hatte die Polizei seine Leiche und die seiner Mutter in der nur wenige hundert Meter entfernten Reihenhaushälfte entdeckt.



Viele offene Fragen

Laut Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank gibt es weiterhin viele offene Fragen. Die Wohnungsdurchsuchung wurde daher am Freitag fortgesetzt, dabei soll unter anderem die Schmauchspurenlage abgesichert werden, um das Tatgeschehen in der Wohnung rekonstruieren zu können. Auch das Ergebnis der Obduktionen der dort gefundenen Leichen ist bislang nicht öffentlich. Neben Tobias R. lag in der Wohnung seine 72-jährige Mutter, beide starben durch Schussverletzungen. Auch die mutmaßliche Tatwaffe wurde gefunden.

Zeuge brachte entscheidenden Hinweis

Bei der Ermittlung des genauen Tatablaufes und zum Verhalten des 43-Jährigen danach dürften seine Handydaten sowie die GPS-Daten aus seinem Fahrzeug besonders interessant sein. Nachdem nach den Schüssen am Mittwochabend mehrere Stunden unklar war, ob es sich um einen oder mehrere Täter handelte, war schließlich das von einem Zeugen an die Polizei übermittelte Autokennzeichen von Tobias R. der entscheidende Hinweis. Nach einer Halterabfrage wurde das von einem Garagenkomplex zur Straße abgeschirmte Reihenhaus von Spezialkräften zunächst mit einer Drohne ausgekundschaftet und schließlich gestürmt.

Vater war in der Wohnung

Bestätigt hat Generalbundesanwalt Frank, dass der Vater des mutmaßlichen Täters in der Wohnung angetroffen wurde. Dieser sei in der Vergangenheit im Kontakt mit Behörden aufgefallen, habe diese angeschrieben und Beschwerden vorgetragen. werde in diesem Verfahren allerdings nicht als Beschuldigter geführt, sondern befinde sich im Zeugenstatus und sei inzwischen an einem nicht bekannten Ort untergebracht.

Kandidatur für die Grünen

Am Rande der Kreistagssitzung in Gelnhausen am Freitag bestätigte Monika Nickel von den Hanauer Grünen, dass der Vater von Tobias R. bei der Ortsbeiratswahl im Jahr 2011 als parteiloser Bewerber für ihre Partei in Kesselstadt kandidierte, allerdings keinen Sitz im Ortsbeirat erreichte. Parteimitglied der Grünen sei er nicht gewesen. Vor vier Jahren rückte er erneut in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, weil er den Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) – allerdings erfolglos – wegen Wahlbetruges anzeigte.

Bisher 40 Zeugen vernommen

Im Rahmen der Ermittlungen wurden bislang 40 Zeugen vernommen, weitere Schwerpunkte sind die finanziellen Bewegungen von Tobias R. sowie seine Kontakte im In- und Ausland. „Wir war er im Internet unterwegs und gibt es Parallelen zu Vergleichstaten?“, sind laut Frank weitere Fragen, der zugleich um Geduld bat: „Jetzt ist die Zeit der Ermittler, das wird dauern“, gehe in diesem Fall Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

Tobias R. stellte Strafanzeige

Generalstaatsanwalt Frank bestätigte auch, dass Tobias R. im November des vergangenen Jahres Strafanzeige erstattet hatte und zwar gegen eine unbekannte, geheimdienstliche Organisation, die sich in die Gehirne der Menschen einklinke und dann dort bestimmte Dinge abgreife, um das Weltgeschehen zu steuern. „Was in der Strafanzeige nicht enthalten war, waren rassistische Ausführungen zur Vernichtung bestimmter Volksgruppen“, sei daher kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Einen Zugriff auf das Waffenmelderegister oder ähnliches habe sein Behörde nicht.

„Eine Art Manifest“ aufgefunden

Frank zitierte auf der Pressekonferenz auch aus dem Text („Eine Art Manifest“), der in der Wohnung gefunden wurde: Demnach geht es darin um Völker und Volksgruppe, die destruktiv seien, dass sein eigenes Volk die Menschheit als Ganzes emporgehoben habe und namentlich genannte Völker komplett vernichtet werden müssten. „Nach einer Grobsäuberung müsse eine Feinsäuberung folgen, und wenn ein Knopf zu Verfügung steht, dies Wirklichkeit werden zu lassen, würde ich diesen sofort drücken, so schnell das man gar nicht schauen kann“, habe Tobias R. mit diesen Zeilen sein rassistisches Weltbild offenbart. Aktuell gebe es keine Hinweis auf Unterstützer oder Mitwisser, das werde aber auch weiterhin überprüft.

Tobias R. war wohl psychisch krank

BKA-Präsident Holger Münch sagte auch: „Der mutmaßliche Täter war wohl psychisch krank.“ Genau geprüft werden soll jetzt, warum er den Behörden bislang nicht aufgefallen ist. „Welche Anlässe hätte es ergeben, um das Risiko dieser Person zu erkennen?“, habe er an dieser Frage großes Interesse. Das auf der Homepage eingestellte „Manifest“ sei am 22. Januar letztmals aktualisiert worden, wann es ursprünglich eingestellt wurde, wisse man noch nicht genau. Am 14. Februar habe Tobias R. zuletzt ein Video auf Youtube veröffentlicht.

Identität der Toten

Am Freitag sind die Nationalitäten der Toten von Hanau veröffentlicht worden. Demnach haben drei eine deutsche Staatsangehörigkeit, zwei sind Türken, außerdem sind ein Bulgare und ein Rumäne sowie ein Mann aus Bosnien-Herzegowina getötet worden. Eine weiteres Opfer hat sowohl die deutsche als auch die afghanische Staatsbürgerschaft. Der Täter und seine Mutter waren Deutsche.

Warum war Tobias R. im Besitz von Schusswaffen?

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) kündigten unterdessen an, dass die Vergabe von Waffen an die Bevölkerung genauer kontrolliert werden soll. „Wer wusste da was“, soll laut Seehofer im Fall von Tobias R. genau nachvollzogen werden, welche Informationen der Waffenerlaubnisbehörde, im Fall von Hanau der Main-Kinzig-Kreis, vorlagen. Der 43-Jährige hatte zwei Waffen legal im Besitz, darunter vermutlich auch die Tatwaffe. Doch Seehofer will noch weiter gehen: „Wir stellen die Schützenvereine nicht unter Generalverdacht. Aber ich möchte die Schützenvereine auch um Verständnis bitten, dass es unserer Verantwortung entspricht, ‚schwarze Schafe‘ herauszufiltern.“ Auch Lambrecht forderte, die jetzt auf den Weg gebrachten Waffenrechtsverschärfungen konsequent umzusetzen: „Wie wird diese Zuverlässigkeitsprüfung ausgeübt? Welche Information kommen bei der Behörde an, die dann diese Entscheidung trifft? Das werden Fragen sein, mit denen wir uns zu beschäftigen haben.“ Die Bundesjustizministerin ließ aber keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit: „Keinen Fußbreit diesem braunen Sumpf.“


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