Gedenken an Hanauer Terrornacht: "Die Geduld neigt sich dem Ende zu"

OB Kaminsky bei der Kundgebung zum Abschluss der Radsternfahrt.

Hanau
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Sich dem "Ungeist entgegenzustellen, der jeden Tag geschieht", dazu hat Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) die Teilnehmenden der Fahrrad-Sternfahrt zum Gedenken an die Opfer des rassistisch motivierten Terroranschlags vom 19. Februar 2020 aufgefordert. "Diesen Auftrag sind wir den Angehörigen schuldig", sagte er bei der Abschlusskundgebung vor mehreren hundert Zuhörenden auf dem Freiheitsplatz.



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Er bezweifelte, dass Hessens Innenminister Peter Beuth dazu imstande sei, in Hessens Polizeiapparat "aufzuräumen und einen Neuanfang zu machen" angesichts wiederholter Skandale, in die rechtsgerichtete Sicherheitskräfte auch im Zusammenhang mit dem Abschlag verwickelt seien. Kaminsky äußerte sein Unverständnis, dass die schwarz-grüne Landesregierung noch immer keinen Opferfonds speziell für die Angehörigen der Attentatsopfer aufgelegt habe, wie es alle Hanauer Stadtverordneten-Fraktion gefordert hatten.

Es dürfe "nicht wahr sein", dass Angehörige, die aufgrund des Attentatsgeschehens bisher nicht wieder eine Arbeit aufnehmen konnten, "am Ende noch auf Sozialhilfe angewiesen sind", rief er vom Podium auf der Abschlusskundgebung. Der Staat müsse ihnen die Finanzhilfe gewähren, "die den Angehörigen moralisch zusteht", so Kaminsky weiter.

Hanaus OB bekannte, das Attentat mache schon fassungslos, aber die jüngsten Nachrichten "noch fassungsloser", wonach einem Teil der in der Tatnacht Dienst habenden Sicherheitskräfte des Sondereinsatzkommandos rechtsextreme Gesinnung vorgeworfen werde. Das habe bei ihm "eine zusätzliche Dimension des Schreckens ausgelöst".  Mit Blick auf Innenminister Beuth (CDU) sagte er weiter, Stadtspitzen wie er und die auf dem Freiheitsplatz ebenfalls anwesende Maintaler Bürgermeisterin Monika Böttcher (Parteilos) hätten politische Verantwortung auch für das zu übernehmen, was Beschäftigte in ihren Verwaltungen womöglich an Unheil anrichten. Und er fügte hinzu, ihm laufe es "bei hier 30 Grad im Schatten eiskalt den Rücken runter", wenn er daran denke, dass Beuth es bisher nicht geschafft habe, mit den Opferangehörigen länger zu sprechen.

"Das darf nicht wahr sein", diese Wortwahl benutzte Kaminsky noch einmal im Zusammenhang mit seiner Kritik daran, dass es der deutsche Staat nach 16 Monaten noch immer nicht geschafft habe, Tathergang und -ursachen abschließend zu beurteilen. "Die Geduld neigt sich dem Ende zu", meinte er mit Blick auf die Bundesanwaltschaft. Dass im demokratischen Rechtsstaat "alles auf den Tisch muss", auch das staatliche Versagen, habe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bereits angemahnt. Wenn sich das Gefühl verstärke, es werde etwas unter den Teppich gekehrt, zerstöre das das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat. Abschließend rief er den Opferangehörigen zu: "Lasst uns Seit an Seit weiter zusammenstehen, damit sich sowas wie dieser schreckliche Anschlag nicht wiederholt."                          


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