Langenselbold: Pfusch am Bau am Kinzigsee

Langenselbold
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„Da waren Leute am Werk, die haben nicht viel gewusst vom Bauwesen.“ Das Urteil eines öffentlich bestellten Sachverständigen für Gebäudeschäden über einen Neubau auf dem Freizeitgelände am Kinzigsee in Langenselbold war vernichtend. 98.000 Euro sollte das Haus kosten, den Wert bezichtigte er nach der Fertigstellung vor vier Jahren auf die Hälfte bis dreiviertel davon – „wenn überhaupt“. Wegen gemeinschaftlichen Betruges und Diebstahls mussten sich jetzt insgesamt vier Angeklagte vor dem Amtsgericht Gelnhausen verantworten.

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Als Bauträger fungierte eine Firma aus Bad Orb, laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hanau haben deren Hilfskräfte schleppend die Arbeiten ausgeführt und mit einer Vielzahl an Mängeln hinterlassen. Geschäftsführerin war eine inzwischen 27-jährige Frau aus Bad Orb, ihre 50-jährige Mutter soll die Rechnungen ausgestellt und deren 57-jähriger Ehemann sich um die Finanzen gekümmert haben. Auf der Anklagebank außerdem noch ein 54-jähriger Mann aus Biebergemünd, der als eine Art Bauleiter vor allem als Ansprechpartner vor Ort tätig gewesen sein soll.

Auftraggeberin war eine 57-jährige Frau, die zwar auf zivilrechtlichem Wege einen Mängelvorschuss in Höhe von 50.000 Euro zugesprochen bekommen hat, bislang aber laut eigenen Angaben noch keinen Cent davon gesehen hat. Strafrichter Dr. Wolfgang Ott zitierte in der Verhandlung aus dem Angebot, das sie im Sommer 2014 angenommen hatte: „Der Vertrag wird mit einer namhaften Kanzlei in Bad Orb gezeichnet.“ Mehrfach habe sie bei dem 57-Jährigen in Bad Orb und dem vermeintlichen Bauleiter die Mängel reklamiert: „Zunächst sollten zehn Arbeiter aus Rumänien kommen, dann kamen aber nur fünf aus Ungarn und einer davon war nicht wie angekündigt Architekt, sondern Englischlehrer.“

Für den 57-Jährigen und die beiden Frauen war die Verhandlung allerdings schnell beendet: Richter Ott trennte das Verfahren gegen sie ab, nachdem er Anträge der beiden Verteidiger, die unter anderem die Zuständigkeit des Amtsgericht Gelnhausens aufgrund des „Tatortes“ in Langenselbold verneinten, zunächst ablehnte. Weiterverhandelt wurde gegen den 54-jährigen Angeklagten, der jedoch große Erinnerungslücken für sich reklamierte und so zur Aufklärung des Sachverhaltes fast nichts beitragen konnte.

Zumindest über das Ergebnis der Bautätigkeit konnte allerdings der Sachverständige berichten: „Ich habe fast an jeder Stelle im Haus das kleinste Fachwissen vermisst“, sei unter anderem ein Fenster mit einem Zimmermannsnagel befestigt und eine Treppe völlig dilettantisch errichtet worden. Der traurige Höhepunkt: Die Maße von Innen- und Außenfläche wurden vertauscht, wodurch das Haus deutlich zu groß wurde, was schließlich das Bauamt der Stadt Langenselbold auf den Plan rief. Das Urteil des Sachverständigen, der auf seine 20-jährige Berufserfahrung und circa 2.200 Gutachten verwies: „Dieses Haus zählt zu den fünf schlechtesten, die ich begutachtet habe.“

Unklar blieb allerdings, welche Rolle der 54-jährige Angeklagte spielte: Die Bauherrin sagte aus, dass der Kontakt zu der vermeintlichen Baufirma aus Bad Orb, die ein schlüsselfertiges Haus versprach, über ihn zustande gekommen sei. Auch das Angebot, das laut Richter Ott voller Rechtschreibfehler ist, habe er übergeben. Die Rechnungen für die Abschlagszahlungen seien allerdings von der 50-jährigen Frau aus der Rechtsanwaltskanzlei gekommen, wo wiederum der 57-Jährige auch über die Baufirma das Regiment geführt haben soll.

Zu wenig für eine Verurteilung des 54-Jährigen aus Sicht von Staatsanwaltschaft und Gericht, blieb somit noch die Anklage wegen Diebstahls: Als nämlich die Baufirma von der Baustelle verwiesen wurde und ihre Werkzeuge abholte, war danach auch eine Gastherme verschwunden und landete schließlich in der Garage des Biebergemünders, was er einräumte. Diese wird zwar für circa 3.500 Euro netto an Endkunden verkauft, der Händlereinkaufspreis liegt laut Aussage des Angeklagten aber nur bei 1.600 Euro. Und genau diesen Betrag muss er nun binnen sechs Monaten an die Bauherrin zahlen, dann wird das Verfahren gegen ihn eingestellt.

Wann und ob das Verfahren gegen die anderen drei Angeklagten neu angesetzt wird, wurde nicht bekannt. Und nach der Abtrennung blieb zudem unklar, welche Rolle sie tatsächlich bei diesem „Pfusch am Bau“ gespielt haben. Allerdings: Die Gastherme soll, nachdem sie vom Neubau am Kinzigsee verschwunden war, wenig später auf der Internet-Verkaufsplattform „ebay“ angeboten worden sein. Einen Ausdruck der entsprechenden Anzeige hatte die Bauherrin zur Verhandlung mitgebracht und rief nach Aufforderung des Richters die neben dem Abbild der Gastherme stehende Telefonnummer an. „Da hat eine Frau (…) abgehoben“, erklärte sie anschließend, die Pünktchen stehen für den gleichlautenden Nachnamen der drei Angeklagten…


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