Ein Blick aus der Region in die Region und hinein in die Gemeinde

Linsengericht
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Als ein überaus informativer Abend gestaltete sich für die über 40 Gäste des diesjährigen traditionellen Heringsessens des Linsengerichter SPD-Ortsvereins.

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Gastredner Dr. André Kavai, früherer SPD-Unterbezirksvorsitzender und stellvertretender Landrat des Main-Kinzig-Kreises, heute Mitglied der Geschäftsführung des RMV und Bürgermeister Albert Ungermann vermittelten tiefe Einblicke in die Entwicklung und anstehenden Aufgaben, der sich Region wie Gemeinde kurz- und längerfristig stellen werden müssen. SPD-Ortsvereinsvorsitzender Hans Jürgen Wolfenstädter freute sich über die große Gästeschar und begrüßte unter ihnen den Vorsitzenden der Gemeindevertretung, Michael Bollmann, SPD-Fraktionsvorsitzenden Bernd Gerhold, den Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Klaus Böttcher, Kreistagsabgeordnete Erika Becker sowie den Vertreter des Fahrgastverbandes Pro Bahn & Bus Behrend.

Mit einem erklärenden Blick in die Vergangenheit begann André Kavai seinen Gastvortrag. Es habe vor 15 Jahren einen „kollektiven Irrtum“ hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung der Region gegeben. Grundlage vieler Planungen sei eine Studie der Bertelsmann-Stiftung gewesen, in der damals bei der Siedlungsentwicklung und der Flächenplanung von negativen Prognosen ausgegangen worden sei. Diese führten zu falschen und unzureichenden Planungen. So wurden beispielsweise Verkehrsprojekte nicht oder zu spät in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen. Falsch seien dadurch auch Planungen zur Nahversorgung und bei der Schulbedarfsentwicklung gewesen.

Erst um das Jahr 2013 hätten sich diese negativen Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung in unserer Region als falsch herausgestellt. Ganz im Gegenteil habe man eine Wachstumsdynamik im Ballungsraum Rhein-Main – von Frankfurt bis tief hinein in die angrenzenden Landkreise – feststellen können.

Mobilitätsmarkt erfordert neue Konzepte

„Der Mobilitätsmarkt ist im Umbruch“, stellte Kavai fest. So sei eine Veränderung in der Besitzkultur („Kulturwandel“) von Autos besonders in den urbanen Räumen zu erkennen. Autos seien in vielen Fällen keine „Fahrzeuge, sondern Steh-Zeuge“, die die meiste Zeit des Tages durch bloßes Herumstehen wertvollen, knappen Platz einnehmen. Neue Konzepte und Angebote in der Nahmobilität zu entwickeln und anzubieten „werden kommen müssen“, wobei noch offen sei, welche Antriebstechnologien sich im Individualverkehr künftig durchsetzen werden. Mangels ausreichender Angebote sieht Kavai die E-Mobilität „eher als punktuelle Ergänzung“ und nannte die Diesel-Antriebe „trotz aller Kritik“ nach wie vor die saubersten erhältlichen Motoren, vor allem im Hinblick auf den CO2-Ausstoß.

Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Angebote in der Nahmobilität spiele die Schiene, so Kavai. Das Bahnfahren müsse künftig für mehr Menschen attraktiver werden; dazu gehörten auch begleitende Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Ausbau der Bahnstrecke zwischen Hanau, Gelnhausen und Fulda. Dazu zählten die durchgängige Barrierefreiheit in den Bahnhöfen, Ausbau des Lärmschutzes sowie Taktverstärkungen, die beispielsweise einen Hessen-Express ermöglichten. Am Ende seines Vortrags wagte André Kavai eine Prognose für das künftige individuelle Verkehrsverhalten: neben einer verstärkten Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs bei verbessertem Angebot, „werden wir mehr laufen und mehr Rad fahren“.

Linsengerichts Bürgermeister Ungermann mit Kritik an Bund und Land

Bürgermeister Albert Ungermann richtete seinen Blick auf die kommunalpolitische Situation in Linsengericht. Auch hier stehe das Thema „Mobilität des einzelnen Bürgers“ auf der Agenda. Des weiteren stelle der Zuzug neuer Bürger die Gemeinde in der Flächenentwicklung vor entscheidende Aufgaben: „Hier müssen wir mit Augenmaß agieren, den wir sind eine ländlich geprägte Gemeinde und wollen das auch bleiben.“ Konkret nannte Ungermann geplante Änderungen in der Infrastruktur, wie die Verlagerung von Rewe und Aldi in Altenhaßlau zur Sicherung der Nahversorgung. Auf der dann frei werdenden Fläche strebe die Gemeinde den Neubau seniorengerechter Wohnungen und die Einrichtung eines Ärztezentrums an. Zudem würden „Vor der Au“ insgesamt 30 Bauplätze entstehen.

Optimistisch zeigte sich der Rathauschef, die Lützelhäuser Firma Breitenbach in der Gemeinde zu halten, indem eine entsprechende Flächenausweisung am interkommunalen Gewerbegebiet Birkenhain vorgenommen werde. Weniger Zuversicht zeigte Ungermann beim Thema Jugendherberge in Geislitz. Das deutsche Jugendherbergswerk habe „wohl eher kein Interesse am Erhalt des Standortes und konzentriert sich mehr auf Städte“. Über die künftige Nutzung würden derzeit unterschiedliche Konzepte diskutiert.

Veränderungen stehen, so der Bürgermeister, auch bei der Holzvermarktung an. Zwar verantwortet die Beförsterung des Gerichtswaldes nach wie vor Hessen-Forst, doch dürfe dieser wegen einer Kartellamtsentscheidung den Holzverkauf nicht mehr verantwortlich abwickeln. Angedacht sei eine gemeinsame Holzvermarktungsgesellschaft in interkommunaler Zusammenarbeit (IKZ) mit Gelnhausen, Gründau und Freigericht. Interkommunal werde man künftig auch die Klärschlammentsorgung angehen, da Klärschlamm nicht mehr auf den Feldern ausgebracht werden darf, sondern zukünftig thermisch verwertet werde.

Zwei weitere wichtige Themen zum Erhalt der Lebensqualität besonders junger Familien und zur Sicherheit der Linsengerichter griff Ungermann auf: Die Gemeinde müsse neue Kita-Plätze schaffen, „um gesetzliche Vorgabe einzuhalten“. U.a. werde ein Kita-Neubau in Altenhaßlau oberhalb des Festplatzes Abhilfe schaffen. Auch bei den Feuerwehren würden die Weichen neu gestellt: Ein Bedarfsentwicklungsplan sei aufgestellt worden – Ungermann: „Großes Lob und Dank an die Feuerwehrleute.“ Maßstab für die Gemeinde sei das, was die Gemeindebrandinspektion und die Freiwilligen Feuerwehren wollen, nämlich den Neubau eines Feuerwehrgerätehauses in Eidengesäß sowie die Zusammenlegung der Wehren Großenhausen und Lützelhausen an einem gemeinsamen Standort.

Am Ende seiner Ausführungen wiederholte Bürgermeister Ungermann seine Kritik an Bund und Land, die ihn mit einer Vielzahl seiner Amtskollegen eint: „Die Situation bei den Kommunalfinanzen ist nach wie vor schwierig. Bund und Land geben uns teure Aufgaben wie beispielsweise bei der Sicherung der Kinderbetreuung vor, deren Finanzierung aber hinkt.“ Nach so geballter Information läutete SPD-Chef Hans Jürgen Wolfenstädter schließlich den gemütlichen Teil des Abends ein. Er dankte Erika Becker und Margot Viehmann, die in bewährter Weise für das leibliche Wohl der Gäste in Form von Heringssalat und eingelegtem Handkäs‘ gesorgt hatten.

Foto: Hatten viele interessante Informationen im Gepäck: Dr. André Kavai, früherer SPD-Unterbezirksvorsitzender und Vizelandrat, heute Mitglied der RMV-Geschäftsführung und Linsengerichts Bürgermeister Albert Ungermann konzentriert vor ihren Gastreden beim traditionellen Heringsessen des SPD-Ortsvereins Linsengericht.


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