Gunter Demnig verlegt am Samstag 17 „Stolpersteine“ in Maintal

Maintal
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Am Samstag, den 24. Juni 2017 verlegt Gunter Demnig 17 „Stolpersteine“ in den Maintaler Stadtteilen Hochstadt und Wachenbuchen.



Die vom Verein Brüder-Schönfeld-Forum e.V. initiierte Aktion ist die insgesamt fünfte Verlegung dieser Art des Gedenkens an die Verfolgten der nationalsozialistischen Zeit. Bisher liegen im Maintaler Stadtgebiet bereits 60 dieser „Stolpersteine“. Seit kurzem ist ihre genaue Lage auch über ein Smartphone-Programm zu ermitteln, so dass Interessierte einen virtuellen oder auch tatsächlichen Rundgang zu diesen Adressen unternehmen können (stolpersteine-guide).

In Hochstadt wird an die Familie Hartoch erinnert, die in der Nachbarschaft des Historischen Rathauses wohnte, heute die Adresse Am Rathaus 3. Hartoch ist kein gängiger Hochstädter Name. Alfred Hartoch, Jahrgang 1876, stammte aus Aachen und kam hierher durch Heirat mit Jeanette Appel aus der Bogenstraße. Sie hatten einen Sohn namens Heinrich. Die Hartochs verließen 1938, also im Jahr der zunehmenden Repression, ihre Hochstädter Wohnung und zogen nach Frankfurt, wo sie bessere Bedingungen erhofften. Doch 1939 wurde Sohn Heinrich aus unbekanntem Grund verhaftet und nach Buchenwald gebracht, wo er noch im gleichen Jahr umkam. Die Eltern verschleppte man 1942 ins Ghetto Theresienstadt, wo sie wenig später zu Tode kamen.

Mit einem vergleichbaren Transport gelangten auch Salomon und Berta Strauß aus Wachenbuchen nach Theresienstadt. Sie wurden später ins Vernichtungslager Treblinka deportiert. Wann genau sie dort ermordet wurden, ist unbekannt.  Die hier gemeinte Familie Strauß wohnte im Haus Hauptstr. 26, jetzt Alt Wachenbuchen.  Der Familienname Strauß war am Ort so häufig, dass zur Unterscheidung meist eine römische Zahl angehängt wurde. In diesem Fall war es Strauß III. Nachbar der Familie Strauß III war im Haus Nr.28 Louis Stern, geboren 1874. Bei ihm wohnten noch die Tochter Lina mit ihrem Ehemann Sally Herlitz sowie deren Tochter Inge, dazu Linas Geschwister Julius, David und Hildegard Stern. Aus dem Haus Nr. 28 stammte ebenso Irma Heippert.  Ihre in Frankfurt geborenen Töchter Regina und Lydia sind bei dieser Verlegung der „Stolpersteine“ berücksichtigt, um den familiären Zusammenhang zu dokumentieren. Fast alle Bewohner starben nach ihrer Verschleppung in den Osten, allein fünf in einer Erschießungsaktion bei Kaunas in Litauen, der auch die Familie Schönfeld aus Dörnigheim zum Opfer fiel.  Nur Sally Herlitz überlebte im estnischen Raasiku, vermutlich weil seine Fachkenntnisse als Elektriker gebraucht wurden.

In der Bachstraße 8 wohnten Samuel und Antonie Strauß. Bereits 1933, also unmittelbar nachdem die Nationalsozialisten an die Macht kamen, gingen die beiden nach Holland, der Heimat ihres Schwiegersohnes. Allerdings entgingen sie dadurch nicht der Internierung durch die deutschen Besatzer. Im Durchgangslager Westerbork, wo auch Anne Frank zeitweilig festgehalten wurde, verbrachten sie einige Wochen, bevor sie Ende 1942 weiter nach Auschwitz ins Vernichtungslager gebracht wurden. Letztes Lebenszeichen sind Briefe und Postkarten aus dem Lager Westerbork, aus denen Not, Angst und Hoffnungslosigkeit abzulesen sind.  Hier ein Auszug, geschrieben von Antonie Strauß an die Familie Ihrer Tochter.

„Leuwarden, 12. Oktober 42 von deutscher Polizei weggeholt ohne was mitzunehmen nach dem Kampe Westerbork mit Vater [gemeint ist Ehemann Samuel]
Meine liebe Rita, Ari und Liesel,
die Depesche wirst Du inzwischen erhalten haben, und ich denke, dass Du ein Paket abschickst. Denn das bisschen, was man hatte, war schnell all. Und so leidet man großen Hunger … Ich liege hier mit noch 3 Damen und einem goldigen Kerlchen auf einer Baracke. Diese ist nicht so groß und solches ist angenehm. Denn auf dieser großen, wo so viele Menschen liegen, ist es zum Verrücktwerden. So ein Gejammer mit anzuhören, wo Kinder noch dabei sind! … Ich bin hier noch am [aus]zeichnen meiner Sachen, denn es kam doch alles so überraschend. Wir hatten noch zu Nacht gegessen, und danach kam die Polizei. Und Ihr könnt Euch denken, wie alles ging in großer Aufregung. Mitnehmen konnte man doch nicht alles! … Wenn doch mein Kleid fertig wäre! Schickt mir‘s doch mit. Dieses ist doch warm. Liebe Liesel, sorge dafür. Es ist hier schrecklich. Es kommen dauernd Menschen und kommen immer wieder fort. Wenn Ihr könnt, legt noch etwas Brot dazu und was Ihr noch schicken könnt, wenn möglich etwas Obst. Wir haben in Leuwarden noch viel zurückgelassen, und ich jammer, dass Ihr solches nicht holen könnt. Die gute Butter vermisst man hier auch. Nun schließe ich mit tausend Küssen an Euch alle. Das Bild, liebe Liesel, habe ich aus dem Rahmen gemacht und habe ich es immer bei mir. Seid also nochmals geküsst von Eurer ewigliebenden Mutter und Oma.
Auf Wiedersehen“


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