Therapeuten bringen ihren Frust mit Straßenkreide zum Ausdruck

Nidderau
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Die Vereinigung "Therapeuten am Limit" hatte für Samstag, 25.08.18, alle Heilmittelerbringer aus Deutschland zur bundesweiten Kreideaktion aufgerufen. In großen Buchstaben wurden Schriftzüge wie #Kreideaktion #TherapeutenamLimit und #SofortprogrammTherapieberufe auf die Straße geschrieben. In Nidderau trafen sich Logopädin Melanie Schmalz, Ergotherapeutin Tanja Hübner-Neumann und Physiotherapeut Markus Neumann mit jeder Menge Straßenkreide im Gepäck zu einem Abendspaziergang der besonderen Art.



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"Wir wollen die Gesellschaft für unsere alltäglichen Probleme sensibilisieren und auf die Missstände unseres Berufszweiges aufmerksam machen", so Markus Neumann. " Es gibt viel Arbeit, die wir aufgrund der Verträge mit den Krankenkassen leisten müssen, aber am Ende nicht bezahlt bekommen. Hierzu gehören z.B. die Verfassung von Therapieberichten oder der Besuch von teuren Fortbildungen, die verpflichtend sind, an unserer Vergütung aber leider nichts ändern" so Neumann weiter.

"Es ist frustrierend, morgens in die Praxis zu kommen - fünf neue Anmeldungen auf dem Anrufbeantworter zu haben und keine freie Lücke im Terminplan zu sehen. Wir könnten noch min. 2 weitere Ergotherapeutinnen in unserer Praxis beschäftigen, aber es gibt keine Bewerber. Der Fachkräftemangel ist bei uns angekommen," so seine Frau, Ergotherapeutin Tanja Hübner Neumann. "Wir Heilmittelerbringer bekommen in unserer Ausbildung keinen Lohn, sondern müssen diese selbst finanzieren. Im Bundesdurchschnitt belaufen sich die Ausbildungskosten auf ca 20.000€. Wer kann sich das nach seinem Schulabschluss leisten? Kein Wunder, dass es immer weniger Auszubildende gibt, die sich für einen solchen Berufszweig entscheiden." so Logopädin Melanie Schmalz. "Bei einer Vollzeitstelle liegt der Bruttolohn eines Heilmittelerbringers in Deutschland bei 2200€. Unsere Arbeit am Menschen ist mehr Wert!" sind sich die drei Therapeuten einig.

Schlechte Vergütungen, Selbstfinanzierung der Ausbildung, teure Fortbildungen, Fachkräftemangel, fallende Schülerzahlen und steigende Zahlen von Berufsaussteigern, Schließungen von Therapiepraxen trotz langer Wartelisten, hoher bürokratischer Aufwand ohne Abrechnungspositionen bei den Krankenkassen und drohende Altersarmut, das seien nur einige Punkte, die die schlechten Arbeitsbedingungen der Heilmittelerbringer in Deutschland verdeutlichen. Für die Patienten habe dies zur Folge, dass es keine freien Therapieplätze gebe, man somit lange auf einen Ersttermin warten müsse, Hausbesuche aus zeitlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht mehr realisiert werden könnten und es zu Kürzungen der Behandlungszeiten komme, damit überhaupt alle Patienten versorgt werden könnten. Die Lösung für Heilmittelerbringer und deren Patienten in Deutschland wäre ein "Sofortprogramm" für Therapieberufe. Ein solches Programm liege der Politik bereits vor und wäre in der Lage, die Situation der Therapeuten sofort spürbar zu verbessern.

"Wenn Sie selbst schonmal eine Leistung aus dem Heilmittelbereich in Anspruch genommen haben und Erfahrungen mit langen Wartezeiten oder abgelehnten Hausbesuchen sammeln mussten, können Sie diese nun nutzen und die Therapeuten bei Ihren Forderungen unterstützen. Über die Seite www.patienten-am-limit.de können Sie einen Patientenbrief schreiben und auf die entgleisende Patientensituation aufmerksam machen", heißt es abschließend in der Pressemitteilung.


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