Adventslesung: „Die schönsten Märchen der Brüder Grimm“

Schlüchtern
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Der Germanist Wolfgang Bindrim und die Fantasy-Schriftstellerin Marion Klingelhöfer laden am Sonntag, 1. Dezember 2019, 15 Uhr, wieder zu einer „Märchenstunde bei den Brüdern Grimm“ im Bergwinkel-Museum in Schlüchtern, Schlossstraße 15, ein.



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Diesmal geht es in der Adventslesung um „Die schönsten Märchen der Brüder Grimm“: Zu hören sind „Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich“ (KHM 1), „Aschenputtel“ (KHM 21), „Rotkäppchen“ (KHM 26), „Sneewittchen“ (KHM 53) und „Rapunzel“ (KHM 12). Programmgedichte der Romantiker Novalis, Ludwig Tieck, Clemens Brentano und Joseph von Eichendorff stimmen darauf ein. Der Eintritt ist frei.

Bereits seit 2003 ist es üblich, dass Bindrim am 1. Advent in seiner Geburtsstadt Schlüchtern einen Vortrag hält oder eine Lesung veranstaltet. Aus Anlass des Buchjubiläums „200 Jahre ‚Kinder und Hausmärchen‘ (1812/15) der Brüder Grimm“ gibt er seit 2011 und seit 2015 zusammen mit Klingelhöfer eine „Märchenstunde bei den Brüdern Grimm“. Neben der Luther-Bibel ist die Märchensammlung der Brüder Grimm das bekannteste Buch der deutschen Kulturgeschichte und ist mittlerweile in 170 Sprachen übersetzt. 2005 werden die in Kassel aufbewahrten Handexemplare mit den Randnotizen, Korrekturen und Nachträgen der Brüder Grimm in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen.

Clemens Brentano gewinnt 1806 die beiden Brüder als Mitarbeiter für die zusammen mit Achim von Arnim begonnene Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ und regt sie dazu an, neben den Liedern auch Märchen und Sagen aus schriftlicher und mündlicher Überlieferung zu sammeln. Im Gegensatz zu den Romantikern halten sich die Brüder Grimm dabei zurück, zu stark in die Überlieferung selbst einzugreifen, und heben hervor, dass sie die Texte wahr und treu gesammelt hätten. Sie wollen einem wissenschaftlichen Anspruch genügen, weshalb sie den Texten in der ersten Ausgabe Anmerkungen und Varianten beigeben, die in den späteren Ausgaben fehlen.

1812 und 1815 erscheinen die „Kinder- und Hausmärchen“, deren handschriftliche Urfassung aus dem Jahre 1810 erhalten geblieben ist, als Gemeinschaftswerk der Brüder Grimm in Berlin bei Reimer in zwei Bänden und sind zunächst ein Ladenhüter. Bis 1857 erleben sie dann doch sieben Auflagen als „Große Ausgabe“, die schließlich 200 durchnummerierte Märchen und zehn Kinderlegenden umfasst. 1825 erscheint die Märchensammlung als „Kleine Ausgabe“, die als Auswahlausgabe mit 50 Märchen und mit sieben Radierungen von Ludwig Emil Grimm („Marienkind“, „Hänsel und Gretel“, „Aschenputtel“, „Rotkäppchen“, „Dornröschen“, „Sneewittchen“ und „Die Gänsemagd“) bis 1858 zehn Auflagen erlebt. Als Vorbild dafür dient eine englische Auswahlausgabe „German Popular Stories“ (2 Teile, 1823 und1826) in der Übersetzung von Edgar Taylor und mit Kupfern von Georg Cruikshank. Mit der „Kleinen Ausgabe“ werden „Grimms Märchen“, wie das Märchenbuch später oft im Titel genannt wird, zum buchhändlerischen Erfolg, von dem auch die „Große Ausgabe“ profitiert. 1822 und 1856 lässt Wilhelm Grimm einen dritten Band mit Anmerkungen und Varianten folgen, mit dem er den ersten wissenschaftlichen Beitrag zur Märchenforschung liefert. Ein dritter Textband kommt nicht mehr zustande.

In der Vorrede zu ihrer Märchensammlung sagen die Brüder Grimm: „Das ist der Grund, warum wir durch unsere Sammlung nicht bloß der Geschichte der Poesie und Mythologie einen Dienst erweisen wollten, sondern es zugleich Absicht war, daß die Poesie selbst, die darin lebendig ist, wirke und erfreue, wen sie erfreuen kann, als auch, daß es als ein Erziehungsbuch diene.“ Auch im Titel „Kinder- und Hausmärchen“ gelangt die pädagogische Intention der Brüder Grimm zum Ausdruck: Als Zielpublikum werden die Kinder und die Hausgemeinschaft angesprochen, obwohl die Märchen ursprünglich gar keine „Kindermärchen“ gewesen sind. Programmatisch formulieren die Brüder Grimm 1837 in der dritten Ausgabe den Anfang des Märchens „Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich“, in dem sie eines der ältesten Märchen in Deutschland sehen und das ihre Sammlung seit der Erstauflage 1812 eröffnet: „In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat ...“ Diese Formulierung findet sich auch in „Der Eisenofen“ (KHM 127) und in „Der Zaunkönig“ (KHM 171).

Es ist Wilhelm Grimm, der die Redaktionstätigkeit schließlich allein übernimmt, die Märchen im Sinne der Romantik und der Biedermeierzeit stilistisch immer wieder überarbeitet und den einfachen und schlichten Märchenton schafft, den wir  auch heute noch so schätzen und lieben. Er glaubt, damit den Volkston zu rekonstruieren, und bekennt 1850 in der Vorbemerkung zur sechsten Ausgabe: „Fortwährend bin ich bemüht gewesen, Sprüche und eigentümliche Redensarten des Volks, auf die ich immer horche, einzutragen.“ 1819 gesteht er in der Vorrede zur zweiten Ausgabe: „Dabei haben wir jeden für das Kinderalter nicht passenden Ausdruck in dieser neuen Auflage sorgfältig gelöscht.“ Jede Anspielung auf Sexuelles wird deshalb in den Märchen konsequent gestrichen oder verharmlost, nicht aber die Schilderung von Gewalttätigkeiten und Grausamkeiten. Aus dem Volksmärchen ist das Buchmärchen geworden.

In ihrer Struktur sind alle Märchen uniform, die von der Begegnung mit dem Wunderbaren erzählen und die zur phantastischen Literatur gehören: Die Geschichte beginnt damit, dass sie ein Problem darstellt, und endet damit, dass sie dieses Problem zumeist durch Zauber löst. Eine Mangelsituation wird behoben, eine zeitweilig gestörte Ordnung wiederhergestellt. Der glückliche Ausgang beinhaltet die Botschaft des Märchens, seine tiefe Weisheit: Das Leben ist zu meistern, und Probleme sind lösbar. Wer sich richtig, d. h. angemessen oder schlau und geschickt verhält oder voller Mitleid handelt, gewinnt und setzt sich durch. Eine christliche Moral wird den Märchen zumeist erst später unterlegt: Das Gute wird belohnt, das Böse bestraft. Ja, das Böse, wie gefährlich es auch immer sein mag, geht schließlich wie eine überreife Frucht an sich selbst zugrunde oder wird mit den eigenen Waffen geschlagen.


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