„Mehr Freundlichkeit können wir gut gebrauchen“

Schlüchtern
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Das war ein Familientreffen der außergewöhnlichen Art: Die Familien Stahf, ursprünglich aus Wallroth, und Rauschenbach verbindet eine 250-jährige Geschichte, die von Deutschland bis Russland reicht.



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Insgesamt 30 Familienmitglieder trafen sich, um die eigene Historie zu ergründen. Elf Leute kamen dazu eigens aus Moskau eingeflogen.

Im Breitenbacher Landhotel Weining saßen mehr als 30 Personen aus Deutschland und Russland beisammen. Die Gruppe hatte sich so noch nie zusammengefunden, dennoch ging es im wahrsten Sinne des Wortes sehr familiär zu. „Es gab zwar hier und da Verständigungsprobleme, doch mit etwas Deutsch, Russisch, Englisch, Hand und Fuß kamen alle irgendwie zurecht“, erzählt Ilse Rüffer, die in Wallroth lebt und von Familie Stahf abstammt.

Das familiäre Miteinander hat einen guten Grund: Alle Teilnehmer des Treffens haben gemeinsame Vorfahren, die einen stammen wie Ilse Rüffer von Familie Stahf ab, die anderen von Familie Rauschenbach. Und manche sogar von beiden, denn vor circa 250 Jahren kreuzten sich die Stammbäume zweimal. Schlüchterns Bürgermeister Matthias Möller (parteilos) schaute bei dem Familienfest vorbei und begrüßte die russischen Gäste auf Englisch. Er zeigte sich beeindruckt von der Familienhistorie. Möller bat alle Anwesenden: „Tragen Sie ein wenig zur deutsch-russischen Freundschaft bei. Mehr Freundlichkeit können wir derzeit auf der ganzen Welt gut gebrauchen.“

Die Geschichte der beiden Familien sei kurz erläutert: Der Wallrother Johann Peter Stahf verließ seine Heimat 1766. Die Legende besagt: Er sah einige Auswanderer an seinem Hof vorbeiziehen, ließ seinen Pflug stehen, packte Frau und Kind und marschierte mit dem Tross nach Russland – auf in eine bessere Zeit. Etwa zur gleichen Zeit verließ auch der Leipziger Carl Friedrich Rauschenbach mit seiner Frau Deutschland. Die Reise dauerte jeweils ein gutes Jahr, unterwegs starben viele Menschen.

In Katharinenstadt trafen die Familien Stahf und Rauschenbach schließlich aufeinander. Ihre Stammbäume kreuzten sich zweimal. Dann verloren sie sich aus den Augen. Doch im 20. Jahrhundert schaffte es Nachfahre Georg Rauschenbach, die Verbindung mit den Stahfs wieder herzustellen. 1958 folgte das erste Treffen. Ilse Rüffer lebt noch heute im „Stahfe Haus“, in dem einst der Bruder von Johann Peter Stahf wohnte, einer ihrer Vorfahren. „Es ist toll, die eigene Familienhistorie zu ergründen. Mich hat das schon bei unserem ersten Treffen vor 50 Jahren beeindruckt“, sagt Rüffer. „Jürgen Stahf, der es organisiert hatte, konnte kurzfristig zwar leider nicht kommen. Trotzdem war es ein tolles Wochenende.“

Das Treffen in Breitenbach war bereits das dritte dieser Art. Georg Rauschenbach fasste die Chronik für alle Anwesenden vor dem Abendessen kurz zusammen. Tags darauf sah sich der Trupp einige Orte in der Umgebung an, die für die Familiengeschichte bedeutsam sind: Kressenbach, Bellings und Steinau. Zum Abschluss ging es noch mal auf den Hügel in Wallroth, an dem Vorfahre Johann Peter Stahf der Legende nach seinen Pflug hatte stehen lassen. Ilse Rüffer und ihr Mann Hans hatten eigens dafür ein solches Ackergerät dort aufgestellt, „als Highlight des Treffens“, wie Ilse Rüffer sagt. Doch – und das ist die einzige traurige Randnotiz – der Pflug wurde offensichtlich entwendet. „Das ist wirklich extrem traurig. Wir hatten uns so darauf gefreut, der Gruppe diesen Hügel mit Pflug zu präsentieren“, sagt Ilse Rüffer.

Das nächste Treffen ist zwar noch nicht terminiert, doch eines steht fest: „Es soll in Russland stattfinden. Die Einladung dazu haben die Rauschenbachs bereits ausgesprochen“, so Rüffer abschließend.

Foto: Bürgermeister Matthias Möller zusammen mit den Nachfahren der Familien Stahf und Rauschenbach. Foto: privat
Foto: Das Familienwappen der Familie Stahf. Foto: Bensing & Reith


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