Aus für "Kuki": Kulturverein in Schlüchtern soll aufgelöst werden

Schlüchtern
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Die Mitglieder des "Kuki" in Schlüchtern haben sich auf einer Versammlung für die Auflösung des Kulturvereins entschieden. "Time to Say Good Bye -  Kulturverein KUKI sagt tschüss! War schön gewesen, aber jetzt müssen es mal andere anpacken", heißt es zu Beginn einer Mitteilung des Vereins. Und weiter: "Das Kuki bedankt sich bei allen seinen Besuchern für ihre Treue und ihren Zuspruch. Es war schön gewesen, doch die Ära geht zu Ende." Nachfolgend die Vereinsmitteilung im Wortlaut:



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"Die Kinolandschaft befindet sich, wie wir alle spüren, im Umbruch. Es sind vor allem die Bedürfnisse der Besucher nach stimmigen Erlebnisorten mit modernen Sitzen, gutem Ton und einem Caféhaus-Foyer zum Verweilen, zum anderen die globalen Streaming-Dienste, die sich anschicken, die Sehgewohnheiten der Menschen zu verändern. Kinos sind ebenso wie Bühnen, spezielle und gut ausgestattete Häuser mit bequemen Sitzen. Die Programmgestaltung der Kinos und Filmkunsttheater setzt auf Qualität und ein besonderes Erlebnis. Ein Kulturverein wie das Kuki ist hier bei der Räumlichkeit auf die Mithilfe der Kommune angewiesen. Auch vielen Sportvereinen werden entsprechend ausgestattete Sportplätze und Sporthallen von Kreis und Stadt zur Verfügung gestellt. Um einen Film zu sehen, muss man nicht im Kuki-Verein Mitglied sein. Das ist sein ehrenamtlicher Dienst an der Kommune.

Intensive Aussprache

Dem Kuki-Verein stehen in naher und ferner Zukunft keine kinogeeigneten Räumlichkeiten der Stadt zur Verfügung. Dies stellt die Jahresmitgliederversammlung des Kuki, die unlängst stattfand, fest. Nach intensiver Aussprache haben die Mitglieder deshalb einstimmig die Aufhebung des Vereins empfohlen. Wörtlich heißt es in dem Beschluss: „Der Verein sieht keine Möglichkeit mehr, seinen satzungsgemäßen Zielen gemäß Paragraph 2 nachzukommen. Ein Angebot an vielfältigem Programmkino ist so nicht mehr möglich. Deswegen beschließt die Mitgliederversammlung, die erforderlichen Maßnahmen für die Auflösung des Vereins Kuki Schlüchtern einzuleiten.“ Die Mitglieder haben sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Der Verwaltung der Stadt wurden in den vergangenen Jahren mehrere Vorschläge unterbreitet. Dabei ist es nie um Nutzung von Räumen nur für das Kuki-Kino gegangen. Der Verein habe stets deutlich gemacht, dass Aktivitäten anderer Vereine, die ebenfalls eine kleine Bühne benötigen und eine Theaterbestuhlung mit unverrückbaren Sitzen, dort ebenso stattfinden könnten: Kleinkunst, Vorträge, Lesungen, Musikveranstaltungen etc.

Grundsatz verhindert Förderung eines Vereins

Ein Kernproblem liegt, so das Kuki, in der Auffassung der Verwaltung (Amt für Kultur und Tourismus), dass alle Vereine der Stadt einem äußerst unflexiblen Gleichheitsgrundsatz unterworfen werden, der aus einem Lehrbuch der Frühzeit der Sozialdemokratie stammen könnte: „Alle oder keiner“ -– hier angewendet auf die Kultur. Dieser Grundsatz verhindere, dem Kuki spezielle Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, denn dann kämen laut Verwaltung ja alle Vereine ... Dass sich das Kuki als Verein gegründet hat, ist sozusagen sein Geburtsfehler. Jede Möglichkeit, einer individuellen Förderung gemäß den Bedürfnissen seiner Besucher nach einem stimmigen Kinoerlebnisort wird auf diese Weise unterbunden. Die Verwaltung sieht sich offensichtlich in der Rolle eines Erziehers. Allerdings hat mittlerweile jede zeitgemäße Pädagogik längst die individuelle Förderung von Vielfalt zum Maß aller Dinge erhoben. Nur wenn die Stadt selbst die Kultur in die Hand nimmt, so das Kuki, könne sie dafür auch stimmige und nur für diesen Zweck ausgestattete Räumlichkeiten bereitstellen: Wie bei der Bibliothek, dem Museum oder dem Schwimmbad. „So muss die Stadt nun wohl oder übel in den sauren Apfel beißen, Kino selbst anzubieten, wenn es ordentlich werden soll“, lautet das bittere Fazit des Vereins.

Kopfschütteln über Möllers Vorschlag eines Pop-Up-Kinos

Bürgermeister Möller hat kürzlich mit einem Vorschlag, anstelle eines festen Kinos ein sogenanntes „Pop-Up-Kino“ zu betreiben, nochmal versucht, aus diesem Dilemma zu entkommen. Mit Bildern in roten Kinofarben ausgemalt, legt sein „City-Kino“ nahe, es sei alles gelöst. Auf der Jahreshauptversammlung des Kuki hat das nur Kopfschütteln hervorgebracht.

Verteilung der Lasten entscheidend

Entscheidend sei, wer trage dabei die Verteilung der Lasten. Genauer: Wer zieht den Karren. Möllers Pop-Up hieße in der Realität für das Kuki-Team: ständiger Auf- und Abbau des gesamten Kinoequipments, einschließlich Dolby-Tonanlage mit zahlreichen Lautsprechern, Kino-Projektor nach DCI-Norm als Voraussetzung für die Belieferung mit aktuellen Filmen, Abluft, schallgedämmte Vorführkabine, Bestuhlung und sogar noch ein Teppich. Man sei schließlich kein Club von Roadies. Zudem wäre dieses Pop-Up-Kino frühestens zum Kalten Markt einsatzbereit. Die Idee eines Pop-Up-Kinos hat Möller wohl den zahlreichen Artikeln über “Pop-Up-Stores“ entlehnt, so der Verein. Man könne leicht googeln, dass diese aus den USA stammende Marketingidee erfunden wurde, um kurzzeitig ein schnelles Geschäft zu machen. Sie hat deshalb in der Regel auch nur minimalistische Ausstattung, ist flüchtig und einmalig. Mit der DNA des Kuki habe dies wenig gemein. Allein der „Wow-Effekt“ ist bei Pop-Up das Entscheidende. Exakt so sei die Grafik des Pop-Ups, die von einer Agentur in Szene gesetzt wurde, - leider ohne Absprache mit dem Verein.

Entwurf ohne Absprache des Vereins

Der Entwurf entspreche keineswegs dem Vorschlag, den das Kuki für die Nutzung der Stadthalle gemacht habe. Die Konsequenz sei nun, dass sich beim Kuki niemand mehr finde, der den Vorstand übernehmen will, wenn das bedeute, „die Mitglieder stetig zu Pop-Up-Diensten zu überreden oder selbst der letzte Mohikaner zu sein“.Unverständlich ist dem Kuki, warum die Synagoge nicht mehr zum Kulturkino werden könne – natürlich erst nach dem geplanten Umbau. Das sei schade, denn der Bund und seine Kulturförderung ermögliche individuelle Förderung von Kino- und Kulturvereinen, die Räumlichkeiten der Kommune als Domizil haben.

Förderungen werden zurückgewiesen

Das Kuki erhielte sechsstellige Förderungen, es müsse diese Mittel aber jetzt zurückweisen, da es nicht über eine spezielle Kinospielstätte verfügt. In zahlreichen, auch kleineren Städten, so schreibt das Kuki, werde Kulturvereinen ein eigener Raum für Kino oder andere Aktivitäten exklusiv zur Verfügung gestellt. „Kultur macht eine Stadt spannend und lebendig. Im Wettbewerb der Regionen werden diejenigen Städte und Gemeinden wachsen und gedeihen, die Vielfalt, Weltoffenheit und Entfaltungsmöglichkeit für ihre Bürgerinnen und Bürger bieten“, so der Verein in der Mitteilung. Nun liege es an der Stadt Schlüchtern, Kultur und vielfältige Kinokultur selbst zu realisieren."


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