„Goliath“-Erfinder: Alle sind begeistert, aber nichts passiert

Sannerz
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Die Chancen, dass Udo Gärtner und Robin Krack bei der Expo 2020 im Herbst dieses Jahres in Dubai eine Pilotanlage ihres Energiespeichersystems „Goliath“ präsentieren können, sind noch einmal gestiegen. Bei einem Besuch der Bürgermeister Dominik Brasch (Bad Soden-Salmünster), Florian Hölzer (Kalbach) und Matthias Möller (Schlüchtern) berichteten die beiden Erfinder aus Sinntal-Sannerz von ihrem zweiten Besuch in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate).

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Gärtner und Krack stehen seit einigen Monaten in Verhandlungen mit dem Unternehmen Empire Global Investment Management aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Bei ihrem zweiten Besuch in der Hauptstadt Abu Dhabi wurde eine Zusammenarbeit weiter konkretisiert, sodass der Bau einer Pilotanlage bis zum Start der Expo im Oktober 2020 fertiggestellt werden kann. Begleitet wurden die beiden „Goliath“-Schöpfer vom ehemaligen Staatssekretär Professor Rainer Bomba, der die Verbindung von Sannerz nach Abu Dhabi eingefädelt hatte.

Krack und Gärtner haben ein Speichersystem erfunden, das Energie in großen Mengen mit einem Wirkungsgrad von etwa 80 Prozent speichern kann (siehe Hintergrund). Die drei parteilosen Bürgermeister aus den Nachbargemeinden des Sinntals zeigten sich sehr beeindruckt von der Präsentation des Systems. Im Gespräch sparten Gärtner und Krack nicht mit Kritik an der deutschen Politik. Kontakte zu Bundes-, Landes- und Kreispolitikern sowie in verschiedene Ministerien fruchteten bislang nicht. „Alle sind begeistert vom System und versprechen uns, bei finanziellen Förderungen zum Bau einer Pilotanlage in Deutschland zu helfen. Aber dann hört man nichts mehr“, sagte Udo Gärtner. „Deshalb müssen wir andere Wege wählen“, ergänzte Robin Krack.

Die „Goliath“-Erfinder erklärten den Bürgermeistern, dass in Deutschland kein weiteres Windrad mehr gebaut werden müsse, wenn man ihr Speichersystem anwende. „Die vorhandene Anlagen reichen vollkommen aus“, betonte Gärtner. Krack ist überzeugt: „Mit der Kombination aus Erneuerbaren Energien und einem skalierbaren Massenenergiespeicher wird es für uns möglich, der Nachwelt ein sauberes und gleichzeitig maximal flexibles technisches Erbe zu hinterlassen. So kann technischer Fortschritt im Einklang mit der Natur realisiert werden.“ Und Gärtner sagt: „Das ist doch genau das, was von der Politik und von der Bevölkerung gefordert wird. Man denke nur an die Fridays-for-Future-Bewegung.“

Schlüchterns Bürgermeister Matthias Möller erklärte aus eigener Erfahrung, dass es nicht so einfach sei, Fördermittel zu erhalten: „Und wenn diese dann zugesagt sind, muss man regelmäßig dokumentieren und genaue Auflagen erfüllen. Das ist mit viel Arbeit verbunden.“ Kalbachs Gemeindechef Florian Hölzer versprach wie auch Dominik Brasch und Matthias Möller, seine Kontakte in die freie Wirtschaft spielen zu lassen. „Es gibt sicherlich Investoren, die für solch ein Projekt offen sind“, sagte Hölzer: „Ich bin überzeugt von eurer Idee und will meinen Teil dazu beitragen, dass ihr erfolgreich seid“, sagte Hölzer in Richtung Gärtner und Krack.

Und Dominik Brasch ergänzte: „Wir lähmen uns in Deutschland manchmal selbst. Das System ist höchst interessant. Es wäre sehr schade, wenn wir das Projekt ziehen lassen müssten.“ Die „Goliath“-Schöpfer stehen derweil in Verhandlungen mit Firmen aus dem deutschsprachigen Raum, die den Bau der Pilotanlage zügig realisieren könnten. Ende Februar beziehungsweise Anfang März werden wahrscheinlich die Verträge zwischen den Erfindern und dem Investor in Abu Dhabi unterzeichnet.

Hintergrund: So funktioniert Goliath
Goliath basiert wie 99 Prozent der weltweiten Massenenergiespeicher auf dem Prinzip eines Pumpspeicherkraftwerks und hat einen Wirkungsgrad von 75 bis 80 Prozent. Goliath ist dabei allerdings — im Gegensatz zu sämtlichen anderen Pumpspeicherkraftwerken — nicht auf topografische Gegebenheiten angewiesen. Goliath funktioniert wie folgt: Zu speichernder Strom wird durch eine Pumpe in die potenzielle Energie des Wassers umgewandelt. Dabei wird Wasser in die Höhe befördert und von oben in einen Zylinder gepumpt. Der hydraulische Druck des Wassers zusammen mit dessen Gewichtskraft drückt den Kolben im Zylinder entgegen seiner Auftriebskraft in das untere Wasserreservoir.

Hierbei halten sich die Gewichtskraft des Wassers und die Auftriebskraft des Kolbens zu jedem Zeitpunkt die Waage, sodass jeder Ladezustand von 0 bis 100 Prozent erzielt werden kann. Dieser Speicherzustand kann durch das Gleichgewicht so lange beibehalten werden, bis wieder Bedarf an der eingespeicherten Energie besteht. In diesem Fall wird die Energie mithilfe der Turbine bedarfsgerecht in Strom umgewandelt. Dazu wird der Zugang zur Turbine freigegeben. Das in die Tiefe rauschende Wasser gibt seine Energie an der Turbine wieder in Form von Strom ab. Durch das entweichende Wasser reduziert sich die Gewichtskraft, die auf den Auftriebskolben wirkt, wodurch dieser wieder emporsteigt und dafür sorgt, dass sich das System wieder komplett entleeren kann. Dieser Prozess kann zu jedem Zeitpunkt gestoppt werden.

Foto: Die Bürgermeister zeigten sich während der Präsentation sehr interessiert.
Foto: Robin Krack, Goliath-Mitarbeiter Markus Mayer, Dominik Brasch, Florian Hölzer, Udo Gärtner und Matthias Möller (von links).


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