"Er hat die Leute beim Wort genommen, das war durchaus mutig"

Steinau
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Regisseur Andreas Dresen hat über 10 Jahre über die ostdeutsche Singer-Songerwriter-Legende Gerhard Gundermann gearbeitet und einen spannenden Spielfilm gemacht, der es in sich hat.



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Der kommt jetzt in die Kinos. In Steinau an der Straße feiert er am Dienstag, 14. August Weltpremiere mit einem Live-Konzert. Hanswerner Kruse hat den Regisseur in Berlin besucht und sprach mit ihm über den Baggerführer aus der Lausitz, der hoch über den Wolken fantastische Songtexte schrieb, über den Weltverbesserer, der sich selbst in Schuld und Bespitzelung verstrickt und über das Lebensgefühl „ostig“.

Warum haben Sie sich so lange mit Gundermann beschäftigt?
Andreas Dresen: "'Gundi' war ein Mensch mit so vielen Facetten... Er war Arbeiter, hat im Tagebau im Braunkohlenrevier gearbeitet, gleichzeitig war er ein großer Künstler, ein großer Poet. Er spielte mit seiner Band als Vorgruppe von Bob Dylan, danach ist er zur Frühschicht gefahren. Also das muss man erst mal bringen! Er hatte abends oft Auftritte vor Tausenden von Leuten und ist dann morgens in die einsame Kanzel seines riesigen Baggers gestiegen. Auch politisch war er eine sehr interessante, widersprüchliche Figur. Einerseits glühender Kommunist, andererseits aus der Partei geflogen. Er ließ sich mit der Stasi ein, wurde dann aber wegen „grundsätzlicher Eigensinnigkeit“ fallen gelassen und schließlich selber jahrelang bespitzelt..."

...Eigensinnigkeit?
Andreas Dresen: "...ja, er hat die Leute eben beim Wort genommen, das war durchaus mutig, konnte aber auch anstrengend sein. Er war anarchistisch und rebellisch, machte ständig Verbesserungsvorschlänge, wollte alles anders haben. „Der Genosse hat den Vorteil und den Nachteil, dass er ausspricht, was er denkt“, sagt im Film eine ältere Kollegin über ihn. Das ist ein Originalzitat."

Drehbuchautorin Stieler sagt, so eine Figur könne man gar nicht erfinden?
Andreas Dresen: "Nee, kann man tatsächlich nicht. Beim Singen war „Gundi“ immer ganz bei sich, ansonsten eckte er überall mit seiner Leidenschaft und seinen Überzeugungen an."

Und die Musik?
Andreas Dresen: "Ich liebe viele seiner Songs. Sie sind häufig melancholisch, die Poesie berührt mich zutiefst. Seine Musik ist es wert, gehört und entdeckt zu werden. Wir werden sie mit unserer Band auch bei einigen Premieren des Films spielen. Für den Film haben wir die Songs behutsam modernisiert; sie klingen transparenter als im Original, weniger folkig. Alexander Scheer singt fast besser als „Gundi“ (lacht). Die Lieder jedenfalls sind zeitlos schön, demnächst macht sogar der „Rolling Stone“ eine lange Strecke über Gundermanns Musik."

„Ich singe nicht für Brot“, das war keine Attitüde?
Andreas Dresen: "Später hätte „Gundi“ von seinen Songs locker leben können, aber er war wirklich eine proletarische Figur und brauchte das Arbeitsleben. Er latschte mit Stiefeln und Helm durch den Lausitzer Schlamm und hatte den Kopf in den Wolken. Die einsame Baggerkanzel in zwanzig Meter Höhe war ein poetischer Schutzraum für ihn. Mit der Mondlandschaft des Tagebaus vor der Nase, im Rhythmus der riesigen Schaufeln, konnte er seine Lieder erfinden. Das hat er gebraucht, das war sein Nährboden, sonst wären ihm nicht so tolle Songs eingefallen."

Sie haben ja bewusst einen Spielfilm gedreht, darin ist nicht alles authentisch?
Andreas Dresen: "Wir erzählen von seinem realen Leben, aber „Gundi“ im Film ist auch eine von uns geschaffene Kunstfigur, eine Mischung aus Erfindung und Realität. Insgesamt stimmt die Geschichte, jedoch sind Details vergrößert, verkleinert, verschoben... und Alexander Scheer erspielt ihn ja auch als eine ganz eigene Figur, obwohl er sich ihn zunächst wie eine zweite Haut übergezogen hat."

„Gundermann“ ist auch ein Film über Schuld...
Andreas Dresen: "Ja, in den 90er-Jahren geriet „Gundi“ wegen seiner zeitweiligen Stasi-Mitarbeit stark unter Druck, wie viele. Das war die Zeit: Christa Wolf! Heiner Müller! Und jetzt auch noch der Gundermann! Klar ist, er hat sich schuldig gemacht. Aber man soll und muss darüber differenziert reden: Wie wird man schuldig, wie kann man damit umgehen? Genervt hat die moralische Überheblichkeit der Hexenjäger, hinter der die Lebensleistung einiger Menschen völlig verschwand. Ich kann mir kein Urteil anmaßen, wir erzählen einfach „Gundis“ Geschichte, in der ihm am Schluss seine Vergangenheit auf die Füße fällt. Seine Frau Conny erzählte mir, wie tief verzweifelt er war, nachdem er seine Stasi-Akte gelesen hatte. „Ich bitte nicht um Verzeihung“, hat er gesagt, „ich kann mir selbst nicht verzeihen.“

Letzte Frage, warum machen Sie eigentlich selbst gerne Musik?
Andreas Dresen:
"Das Schöne daran ist, dass ich mitmachen darf, ich bin sonst immer nur der Kontrolletti. Ich bin ja der Regisseur und gucke den anderen bei der Arbeit zu, mäkel herum oder kommentiere, doch beim Musizieren spiele ich mit und bin Teil des Organismus. Das ist wirklich was Tolles, im schönsten Fall vergisst man den Druck und die Aufregung. Es kann manchmal sein, dass man so richtig abhebt mit allen, die da sind, mit der Band, mit dem Publikum."

„Gundermann“ hat am 14. August in Steinau Premiere. Vorher ab 19 Uhr tritt Dresen & Band mit Hauptdarsteller Alexander Scheer auf, der im Film den Gundermann spielt. Open-Air auf dem Kumpen in Steinau. Film im Anschluss in der Kulturkirche Katharinenkirche.

Karten und Infos: www.kukikino.de

Foto: Klaus Fahlbusch


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