Über 100 unbezahlte Rechnungen: Mutter und Sohn angeklagt

Steinau
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Mammutprozess am Amtsgericht Gelnhausen: Die Anklage umfasst 20 Seiten, zwei Kisten mit Aktenordnern wurden in den großen Saal für das Schöffengericht geschleppt. Auf der Anklagebank sitzen Mutter und Sohn, beide sollen massenhaft Ware im Internet auf fremde Namen bestellt und dann nicht bezahlt haben. Für beide ist es nicht der erste gemeinsame Auftritt vor Gericht.

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Bereits im November 2015 mussten sich die inzwischen 73-Jährige und ihr 39-jähriger Sohn wegen Betrugs verantworten. Auch da hatten sie zahlreiche Artikel online bestellt und an ihre damalige Wohnanschrift in Bad Orb liefern lassen. Die Rechnungen blieben unbezahlt. Erst als die Lage in der Gerichtsverhandlung aussichtslos war, legte der Sohn ein Geständnis ab und wurde zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Mutter wurde freigesprochen, sie gab an, nichts von den Betrügereien ihres Sohnes gewusst zu haben, was ihr auch nicht widerlegt werden konnte.

Dieser Auftritt vor Gericht hat beide zumindest aus Sicht der Staatsanwaltschaft Hanau allerdings nicht besonders beeindruckt. Bereits im März 2016 sollen erneut Bestellungen auf falschen Namen aufgegeben worden und jetzt an die neue Wohnanschrift in Steinau geliefert worden sein. 102 Fällen bis zum August 2017 wurden zu einer Anklage zusammengefasst, vermutlich gehen aber sogar noch deutlich mehr Fälle auf ihr Konto. Der Schaden soll sich auf mehrere tausend Euro belaufen.

Mutter und Sohn leben gemeinsam in einer Wohnung und werden komplett über staatliche Zuschüsse finanziert. Da sie am ersten Verhandlungstag nicht erschienen waren, wurden sie zum Termin am Donnerstag von der Polizei und einem Krankentransportwagen abgeholt, der 36-Jährige wurde anschließend mit einem Rollstuhl in den Saal geschoben. Das Gericht hatte sich bereits auf einen ungewöhnlichen Verhandlungsverlauf eingestellt, da der Sohn bereits zuvor eine Hörschwäche angegeben hatte, war für ihn sogar extra ein Kopfhörer organisiert worden.

Dann begann die Detailarbeit: Fall für Fall soll durchgegangen werden, wie schon beim Prozess 2015 bestritt der 36-Jährige zu Beginn betrügerische Handlungen. Vielmehr legte er Dokumente vor, die beweisen sollen, dass er die offenen Rechnungen beglichen hat. Die Mutter erklärte diesmal zu Prozessbeginn, dass sie von diesen Bestellungen gewusst habe, bestritt aber deren Unrechtmäßigkeit. Bestellt worden waren unter anderem Möbelstücke, Werkzeuge, Klamotten und elektronische Geräte. Bei 33 Fällen blieb es laut Anklage bei Betrugsversuchen, diese Waren wurden nach Eingang der Bestellungen nicht ausgeliefert. Als Zeugen sollen neben den Ermittlern der Kriminalpolizei unter anderem auch die Paketzusteller gehört werden, die die Artikel nach Steinau geliefert hatten. Für den 36-jährigen Angeklagten steht im Falle einer Verurteilung sein Leben in Freiheit auf dem Spiel, da die Taten während laufender Bewährung durchgeführt worden wären. Der Prozess wird in der nächsten Woche fortgesetzt.


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