Von Füchsen, Trauer und dem „Schreiben nach Gehör“

Wächtersbach
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Mit zwei grundverschiedenen Büchern unterhielten am zurückliegenden Dienstag abend Udo Rubach und Andrea Euler die Gäste des Literaturstammtischs, der sich wie stets im Nebenraum der Gaststätte „Kikeriki“ versammelt hatte.

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Wie gewohnt, schlossen sich den Buchvorstellungen angeregte Diskussionen an, die sich über die Themen Dialektsprache, Übersetzungen und Buchgestaltung bis hin zu Tagesaktuellem erstreckten. Die Fabel „Fuchs 8“ und der Roman „Marianengraben“ standen im Mittelpunkt des literarischen Interesses.

„Die Motivation, dieses Büchlein zu lesen, habe ich über das Literarische Quartett bekommen“, berichtete Udo Rubach mit Blick auf das handwerklich schön gemachte, gelungen illustrierte, aber nur 56 Seiten starke „Fuchs 8“ von George Saunders. „Das ist zwar in ein bis zwei Stunden gelesen, aber nicht ganz einfach“, erklärte der Referent, der kurz zur Einleitung das Leben des Autors skizzierte und einen ersten Einblick in die Fabel gab. Demzufolge hat „Fuchs 8“ – wie seine Artgenossen trägt das Tier statt eines Namens eine Zahl als Erkennungszeichen – ob seiner Wissbegierde „menschisch“ gelernt und ist von unstillbarer Neugierde auf diese Wesen. Der Bau eines riesigen Einkaufszentrums soll nun die Heimat der Füchse zerstören. Und das bringt Fuchs 8 dazu, sich auf den Weg zu machen zu den Menschen. „Das ist teilweise eine Fabel, es ist aber viel mehr als das“, so Rubach. Die grundsätzlich positive Lebenseinstellung des Fuchses stelle einen spannenden Gegenentwurf zur grausamen Welt der Menschheit dar. Interessant, aber ungewohnt, sei die Schrift: Der Fuchs schreibt, wie er die Worte höre – und das macht es für Liebhaber von korrekter Schreibweise und Interpunktion nicht leicht, das Werk zu lesen.

Von tiefen Depressionen, Situationskomik, Trauer und Hoffnung handelt der Titel „Marianengraben“, den die Bloggerin, Kommunikationsexpertin und Sterbebegleiterin Jasmin Schreiber verfasst hat. Aus dem ergreifenden Roman, der zugleich lustig und tieftraurig daher kommt, hatte Andrea Euler eine Szene ausgewählt, die diesen beiden Aspekten in schnellem Wechsel gerecht wird: Paula, deren geliebter Bruder Tim vor zwei Jahren gestorben ist, ist in einer tiefen Depression versunken und findet keine Wege aus der Trauer. Bei einem nächtlichen Friedhofsbesuch stößt sie auf den schrulligen Alten Helmut, der – einem seinerzeit gegebenen Versprechen folgend – die Urne seiner ehemaligen Freundin ausgräbt. Aus dieser Begegnung entwickelt sich ein urkomischer, tragischer, trauriger, schöner Road-Movie – anrührend und mitreißend.

Wegen der Osterferien findet der nächste Literaturstammtisch erst am Dienstag, 12. Mai, wiederum um 19.30 Uhr im Kikeriki statt. Gäste sind jederzeit herzlich willkommen.


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