Hat die Stadt Konsequenzen gezogen aus dem Attentat?

Wächtersbach
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Vor genau einem Jahr stand Wächtersbach im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit in ganz Deutschland und darüber hinaus.

Anzeige


"Doch leider nicht für ein tolles Verdienst unseres schönen Städtchens. Der Grund für das plötzliche Interesse an Wächtersbach war ein kaltblütiger Mordanschlag auf einen Menschen einzig und allein aufgrund dessen Hautfarbe. Eine erschreckende Tat, die viele wachrüttelte. Rassismus, der in Gewalt umschlägt? Hier bei uns? Kaum zu fassen. Denn tatsächlich funktioniert in Wächtersbach dank zahlreicher engagierter Bürger die Integration geflüchteter Menschen nahezu vorbildlich. Und deshalb kann nicht sein, was nicht sein darf. Also wird an verantwortlichen Stellen darauf hingewiesen, dass der Täter gar nicht aus Wächtersbach kam, sondern der Nachbargemeinde. Und überhaupt erst vor wenigen Jahren zugezogen ist. Wir lernen: Rassismus macht an Ortsgrenzen Halt, denn in Wächtersbach gibt es damit überhaupt kein Problem. Das ist bequem, denn: Wo es kein Problem gibt, muss man nicht tätig werden", heißt es in einer Pressemitteilung der Grünen.

Und weiter: "Jetzt stehen wir da, ein Jahr später, und möchten unser Mitgefühl für das Opfer und seine Angehörigen ausdrücken und weiterhin laut gegen Gewalt und Terror mahnen. Gleichzeitig wollen wir aktiv werden gegen Rassismus und Fremdenhass. Von der ersten Gedenkveranstaltung erfahren wir durch ein Flugblatt ohne Verfasser. Es wird eine Mahnwache stattfinden, die behördlich ordentlich angemeldet ist, der Veranstalter ist laut offiziellen Angaben der Gleiche wie schon im Vorjahr: Ein Bündnis gegen rechten Terror. Laut Frankfurter Rundschau vom 27.07.2019 steckt dahinter insbesondere die Gruppe 'Antifa Kollektiv 069'. So sehr wie wir das Gedenken begrüßen und die Erinnerung für absolut richtig und notwendig halten, wollen wir nicht gemeinsam mit einer Gruppe demonstrieren, die auf ihrer Website 'ACAB' ('All Cops Are Bastards' / 'Alle Polizisten sind Schweine#) propagiert. Auf der anderen Seite lädt nun der Bürgermeister zu einem nichtöffentlichen Termin ein, nur für Vertreter der Stadtverordnetenversammlung – und der Presse. So wirkt ein Gedenktermin wie ein Feigenblatt für einen Fototermin, auf dem der Bürgermeister noch einmal betonen kann, wie schrecklich diese Tat war und dass es aber in Wächtersbach selbst überhaupt kein Problem gibt. Das ist in erster Linie eines: peinlich. Wenn man als Stadt ernsthaft ein lautes Signal senden möchte, dann findet man einen Weg – auch in der aktuellen Situation. Abstand halten, Rücksicht nehmen, Hygienebestimmungen kann auf einer großen Freifläche gut funktionieren. Dazu müsste aber der Wille da sein."

Abschließend heißt es in der Pressemitteilung der Grünen: "Was ist aber tatsächlich im letzten Jahr passiert? Bei einem sogenannten Reichsbürger in Wächtersbach wurde ein Waffenarsenal gefunden. Die offizielle Reaktion darauf? Dröhnendes Schweigen. Ein Antrag für einen Arbeitskreis Gewaltprävention wurde von der Mehrheitspartei abgelehnt. Eine einfache Frage nach der Systematik zum Waffenbesitz wurde vom Magistrat nicht beantwortet, sondern die Fragensteller in der Presse attackiert. Wurden Maßnahmen ergriffen, um gegen Hass, Gewalt und Rassismus vorzugehen? Hat die Stadt Konsequenzen gezogen aus dem Attentat? Gab es Präventivmaßnahmen? Vielleicht sogar einen prüfenden Blick auf die legalen Waffenbesitzer? Die Antwort ist: 'Nein'. Im Stillen gedeihen gerade wieder zunehmend rechte Gedanken, Einstellungen und Taten. Mit rechtsradikalen Anschlägen wie hier, in Hanau, Halle oder dem Mord an Walter Lübcke sollen Botschaften gesendet werden: Menschen, die anders aussehen als „wir“, haben hier nichts verloren – und diejenigen, die Mitgefühl und Schutzgebot fordern, sollen verstummen ob dieser Gewalt. Wir sagen: Das kann nicht sein, darf nicht sein. Alle Bürger müssen aufstehen und genau hinsehen – auch bei sich selbst. Eine Privatveranstaltung mit Presse ist genau das Gegenteil davon. Hier wird mit einer völlig unwirksamen Pseudo-Solidaritätsbekundung werbewirksam demonstriert, dass man als Stadt zusammenstehe. Dabei steht man den Opfern in keiner Form tatsächlich bei und bringt den gemeinsamen Kampf gegen Rassismus keinen Schritt voran. Und das ist für eine Stadt, die sich gerne als vorbildlich in Sachen Integration sieht, viel zu wenig."


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de