Das Produktive ist die Zukunft

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Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig. Insbesondere das Handwerk hat trotz boomender Nachfrage bei den Gewerken große Probleme Nachwuchs zu finden.



Welche Maßnahmen könnten in Hanau und Main-Kinzig-Kreis hilfreich sein, wollten der FDP Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Kolja Saß und der Hanauer Stadtverbandsvorsitzende Henrik Statz von der Kreishandwerkerschaft wissen.

„Geht ein deutscher Techniker mit ein paar Konservendosen in den Urwald, kommt er mit einer Lokomotive heraus.“ Das Zitat des im Jahr 1988 verstorbenen Erfinders Felix Wankel beschreibt immer noch gut, wofür Deutschland in vielen Ländern weltweit steht. In Deutschland gibt es unendlich viele Tüftler, Macher und Problemlöser. Viele von ihnen haben einen handwerklichen Hintergrund, neben theoretischem Wissen auch praktische Erfahrung und nicht selten ein gutes Näschen in kaufmännischen Fragen. Dennoch bröckelt dieses Ansehen und das Prädikat „Made in Germany“– nicht nur im Ausland, sondern auch national. Warum das so ist, wollten der Vorsitzende der Kreistagsfraktion der FDP Main-Kinzig und der Hanauer Stadtverbandsvorsitzende Henrik Statz bei der Führung der Kreishandwerkerschaft in Hanau erfahren. Am Gespräch nahmen Kreishandwerksmeister Martin Gutmann, sein Stellvertreter Manfred Köhler und der Geschäftsführer Axel Hilfenhaus teil.

Wie in nahezu allen Branchen in Deutschland beklagt auch das Handwerk den Fachkräftemangel in vielen Gewerken. Dies hat laut KHS-Geschäftsführer Axel Hilfenhaus gleich mehrere Gründe. „Zum einen drängen viele Eltern ihre Kinder nach der Schule in ein Studium, auch wenn es den Abgängern im Grunde gar nicht liegt. Viele quälen sich hier ohne motivierenden Erfolg von Semester zu Semester, wechseln vielleicht auch noch einmal die Fachrichtung und merken oft zu spät, dass ein anderer Weg vielleicht besser gewesen wäre.“ Dazu kommt das Problem, dass Schulabgänger nicht selten zu wenig Grundqualifikationen mitbringen und mit den Anforderungen der Ausbildung im Handwerk überfordert sind. Zuletzt gilt körperliche Arbeit und sich schmutzig machen in der Gesellschaft als nicht unbedingt schick. Das Ansehen des Handwerks hat sich gewandelt. All dies trägt dazu bei, dass in den Betrieben zu wenig begabte Schulabgänger ankommen.

Eine Studie des IW Instituts bezifferte die Zahl der qualifizierten Arbeitskräfte erst im April 2018 auf 440.000. „Wenn deutsche Unternehmen diesen Fachkräftebedarf decken könnten, würde die Wirtschaftsleistung in Deutschland um bis zu 0,9 Prozent oder rund 30 Milliarden Euro höher ausfallen“, heißt es weiter in der Studie. „Im Handwerk kann also gut verdient werden, geschenkt bekommt man allerdings nichts“, führt Kreishandwerksmeister Martin Gutmann aus.

„Im von der Kreishandwerkerschaft Hanau betreuten Teil des Main-Kinzig-Kreises konnte die überwiegende Mehrheit der Auszubildendenstellen für das kommende Schuljahr 2018/2019 wieder besetzt werden,“ berichtet Manfred Köhler. Dass das Handwerk in unserer Region so gut aufgestellt ist, liegt am generellen Wachstum der Region und der guten Verkehrsinfrastruktur im Kreis. „Was aber den Handwerksunternehmen zunehmend Kopfschmerzen bereitet, ist die zunehmende Bürokratie: Nachweispflichten, Dokumentation und die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung sind nur einige Beispiele für die zahlreichen Aufgaben der Mittelständler, die im Grunde nichts mehr mit ihrem Geschäft zu tun haben aber enorme Ressourcen binden. Das schreckt viele davor ab sich selbständig zu machen und sorgt in der Konsequenz dafür, dass auch die Qualität des Handwerks und der Ruf der Meisterarbeit leidet“ stellt Kolja Saß fest.

Bereits vor Jahren hat das Handwerk eine breite Imagekampagne gestartet. „Für eine größere gesellschaftliche Akzeptanz des Handwerks muss man aber den Finger deutlicher in die Wunde legen, denn, wenn Alle studieren, wer baut dann die Universitäten“ führt Henrik Statz von den Hanauer Liberalen aus. In einem beruflichen Abitur sehen die Liberalen eine große Chance, die Berufsausbildung und eine Hochschulqualifikation klug zu verbinden und die Berufsorientierung junger Menschen zu erleichtern. „Erst Lehre, dann Studieren bietet den Schulabgängern von heute gleich mehrere Perspektiven,“ findet Kolja Saß. Wer erst eine Ausbildung, zum Beispiel in einem technischen Beruf abschließt, kann sich danach auch leisten ein Studium abzubrechen, wenn er merkt, dass ihm das Praktische mehr liegt. Zudem verdient er im Lehrberuf ab dem ersten Tag Geld und hat auch bei einem anschließenden Studium die Chance sich besser zu finanzieren. „Da auch die Handwerksberufe immer komplexer werden, wird es kaum eine Branche geben, die ohne lebenslanges Lernen und Fortbilden auskommen wird. Hierfür müssen wir heute die Strukturen schaffen und duale Studiengänge mit großem Praxisbezug dezentral organisieren,“ stellt Henrik Statz fest. Denn das Produktive ist die Zukunft.

Foto (von links): Kolja Sass, Martin Gutmann, Henrik Statz, Axel Hilfenhaus, Manfred Köhler.


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