"Huxit": Kreisspitze macht neue Rechnung auf

Politik
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„Ergebnis offen“ – so lautet die aktuelle Prognose der Kreisspitze für die Pläne der Stadt Hanau, aus dem Main-Kinzig-Kreis auszusteigen. Was sich aus dem Mund von Landrat Thorsten Stolz (SPD) noch relativ neutral anhört, klingt nach den Worten der Ersten Kreisbeigeordneten Susanne Simmler (SPD) schon deutlich negativer: „Ob eine Neuordnung bei gleichbleibender Qualität wirtschaftlich ist, darf zumindest momentan bezweifelt werden.“



Die Kreisverwaltung hat sich inzwischen intensiv mit einer Auskreisung Hanaus, auch „Huxit“ genannt, beschäftigt und dabei neue Zahlen zum Vorschein gebracht.

177 Vollzeitstellen beschäftigen sich derzeit beim Main-Kinzig-Kreis mit Aufgaben, die die Stadt Hanau betreffen. „Das sind natürlich deutlich mehr als die 20 Stellen, die in Hanau nach der Auskreisung entstehen sollen“, zweifelt Stolz damit die Personalplanungen in der Brüder-Grimm-Stadt an. Und er nennt auch ein Beispiel: Als eigenständige Großstadt müsste Hanau ein eigenes Gesundheitsamt aufbauen, das beispielsweise für die Überwachung der Kliniken zuständig sei. Allein dafür würden die 13 Stellen, die sich derzeit beim Kreisgesundheitsamt um die Hanauer Anliegen kümmern, nicht ausreichen.

Der größte Teil der Personalstellen ist im Bereich der Sozialverwaltung angesiedelt, um die circa 10.700 Leistungsempfänger aus Hanau im Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) kümmern sich 100 Beschäftigte des Main-Kinzig-Kreises. Beim ehemaligen Sozialamt, das die Stadt Hanau erst 2014 an den Kreis übertragen hatte, fallen weitere 26 volle Stellen an. Bei Zulassungsbehörde und Führerscheinstelle wurde ein Anteil von zwölf Stellen ermittelt, weitere bei der Hilfe für Migranten (5 Stellen), der Rettungsdienstleitstelle (12), im Veterinärwesen und Verbraucherschutz (4). Vier Vollzeitstellen addieren sich zudem aus den Aufgabengebieten Waffenwesen, Jagd und Fischerei, Wasser- und Bodenschutz, Immissionsschutz und Schornsteinfegerwesen.

Dabei betonte die Kreisspitze, dass alle Bereiche derzeit auch ortsnah in Hanau angesiedelt seien. „Mehr Bürgernähe geht nicht“, könne es keine Zweifel geben, dass sich diese Strukturen bislang bewährt hätten. Pauschale Kritik am Kommunalen Center für Arbeit oder der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen weist die Kreisbeigeordnete Simmler daher zurück, schließlich könne sich jede Kommune bei dieser Arbeit einbringen, „manche tun das intensiv, andere weniger intensiv“, erklärte sie.

Finanziell sieht ein Abschied von Hanau aus dem Main-Kinzig-Kreis auf den ersten Blick nach einem Nullsummenspiel aus: Die Aufwendungen beim Kreis für Hanau belaufen sich derzeit auf circa 40 Millionen Euro, bestehend aus Transfer- und Sachausgaben in Höhe von 34 Millionen Euro plus sechs Millionen Euro Personalkosten. Berücksichtigt ist dabei bereits, dass im Sozialbereich 85 Prozent der Personalkosten vom Bund erstattet werden. Auf der Gegenseite erhält der Kreis vom Land derzeit Zuweisungen in Höhe von 26,2 Millionen Euro für Hanau sowie eine Kreisumlage von 38,8 Millionen Euro aus der Brüder-Grimm-Stadt, davon muss aber wiederum die Umlage an den Landeswohlfahrtsverband (23,2 Millionen Euro) und die Krankenhausumlage rausgerechnet werden, so dass der Kreis mit Mindereinnahmen von 39,7 Millionen Euro rechnen müsste.

„Aber Vorsicht: Der Teufel steckt im Detail!“, steht fettgedruckt auf der von der Kreisspitze vorgelegten Tabelle. Denn: Die Vollzeitstellen beim Main-Kinzig-Kreis könnten nur über Jahre abgebaut werden, da nicht alle direkt nach Hanau wechseln könnten oder wollten. Kompliziert werde zudem die Neuberechnung der Pensionsverpflichtungen, auch der Wegfall des Hanauer Mülls auf den Deponien, der zur Neuverhandlung der bestehenden Verträge führen könnte, wird das Pendel bei einem „Huxit“ wohl zuungunsten des Kreises ausschlagen lassen. Deshalb fällt auf der Pressekonferenz immer wieder ein Wort: Ausgleichszahlungen. Denn die Kreisspitze will nicht zulassen, dass die restlichen 28 Städte und Gemeinden im Main-Kinzig-Kreis nach einem Abschied Hanaus die finanziellen Folgen auffangen müssten. Wie hoch diese Ausgleichszahlungen wären, kann allerdings momentan noch niemand sagen.

„Eigentlich hat man ja in den vergangenen Jahren größere Strukturen aufgebaut, um Kosten zu sparen“, spielt der Kreisbeigeordnete Winfried Ottmann (CDU) auf das ungewöhnliche Ansinnen von Hanau an, Landrat Stolz spricht es dann deutlich aus: „Diese Entscheidung geht gegen den Trend.“ Während Kommunen wie Erlensee und Neuberg den Zusammenschluss planen, gerade um im Verwaltungsbereich effizienter zu arbeiten, sollen in Hanau nun neue Strukturen entstehen. Ob diese Pläne aufgehen, entscheidet letztlich das Land Hessen, das für die Auskreisung Hanaus ein eigenes Gesetz erlassen müsste. „Und das wird eine reine Faktenabwägung, Emotionen und politische Entscheidungen spielen dabei keine Rolle“, betont Stolz. Die Kreisspitze jedenfalls sieht dafür noch reichlich Arbeit auf Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) und seine Verwaltung zukommen: „Die größte Herausforderung für Hanau wird es sein, den Mehrwert für das Allgemeinwohl zu verdeutlichen und zu belegen.“


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