Ex-Landrat Pipa: Bedrohung bis zum letzten Arbeitstag

Politik
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Der ehemalige Landrat Erich Pipa (SPD) ist bis zu seinem letzten Arbeitstag bedroht worden. Das machte er jetzt erstmals in einer Rede am Donnerstag vor Mitgliedern des Innen- und Hauptausschusses des Hessischen Landtages öffentlich. Dort war Pipa als Sachverständiger eingeladen worden, um über seine Erfahrungen mit Bedrohungen gegen ihn als Politiker zu berichten.



Demnach hing am 17. Juni 2017, seinem letzten Arbeitstag, eine Fahne mit den Aufschriften „Auferstanden aus Ruinen“ und „Freier Widerstand Main-Kinzig“ direkt vor dem Main-Kinzig-Forum in Gelnhausen. Öffentlich gemacht hatte er diesen Vorfall damals nicht, allerdings wie alle anderen Bedrohungen auch zur Anzeige gebracht. Pipa hatte zuvor mehrere Drohbriefe von einer „Initiative Heimatschutz Kinzigtal“ erhalten, unter anderem war angekündigt worden, ihn 2015 beim Radlersonntag „Kinzigtal Total“ zu beseitigen. Der langjährige Landrat nahm dennoch an der Veranstaltung teil, erhielt dort Polizeischutz, auch seine Wohnanschrift wurde zeitweise überwacht. Die Bedrohungen gegen ihn hatten nach seiner Aussage „Das Boot ist nicht voll“ bei der Einweihung einer Flüchtlingsunterkunft in Schlüchtern begonnen.

Vor den Landtagsabgeordneten äußerte er allerdings auch Kritik an den Ermittlungsbehörden. So habe ihm ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes erklärt, dass ihm einzelne Mitglieder des „Freien Widerstandes Main-Kinzig“ bekannt seien, diese allerdings nicht als gewalttätig anzusehen seien. Und was Pipa besonders ärgerte: Laut diesem LKA-Mitarbeiter seien die Personen, die das Banner aufgehängt haben, nicht identifizierbar, weil die Aufnahmen unscharf seien. „Diese Aussage wies ich als falsch zurück, weil alle Kameras im Bereich des Main-Kinzig-Forums mit modernster Technik neu installiert wurden“, bezeichnete er die Gespräche mit den Sicherheitsbehörden des Landes als „sehr gewöhnungsbedürftig“. Inzwischen befindet sich laut Pipa seit Anfang 2019 eine DNA-Spur in der Datenbank der Polizei, die zum möglichen Täter führen soll, wenn dieser erneut aktiv werde. Das habe ihm die Staatsanwaltschaft Hanau mitgeteilt.

Kritik äußerte er auch an den politisch Verantwortlichen im Main-Kinzig-Kreis. Selbst nach seinem Abschied hätten ihn noch Anrufe von Kommunalpolitikern erreicht, wie beispielsweise Bürgermeister, die selbst bedroht wurden und ihn um einen Rat fragten. Aber keiner von ihnen habe die Öffentlichkeit informiert, in seltenen Fällen sei der Staatsschutz eingeschaltet worden. „Das halte ich für einen Fehler, denn die Bürgerinnen und Bürger unterstützen einen Kommunalpolitiker, wenn sie wissen, dass er bedroht wird“, fordert der ehemalige Landrat zudem ein deutlich härtere Gangart gegen Rechtsradikalismus in der Gesellschaft: „Früher wurden Postboten, die Mitglied der DKP waren, als Verfassungsfeinde aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Was macht man heute mit Faschisten? Werden diese auch so behandelt?“

Dass sich nach seinem Auftritt in Wiesbaden am Donnerstag etwas ändert, glaubt Pipa allerdings nicht, wie seine Stellungnahme im Anschluss zeigt: „Interesse war groß, wird sich aber meines Erachtens nichts ändern. Wir brauchen eine streitbare Demokratie. Demokraten müssen zusammenhalten und gemeinsam auftreten. Und zwar vom Bund übers Land bis zur Ortsebene. Ich befürchte, dass bei der kommenden Kommunalwahl im März 2021 die Parteien Schwierigkeiten bekommen, ihre Listen aufzufüllen. Wer lässt sich gerne beleidigen und bedrohen, zumal wir hier von Ehrenamtlichen sprechen, siehe zum Beispiel zuletzt die Windkraftdebatte in Flörsbachtal. Unsere lokale Demokratie ist bedroht.“

Foto: Ex-Landrat Erich Pipa (SPD) an einem seiner letzten Arbeitstage im Main-Kinzig-Forum in Gelnhausen.


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