Hand aufs Herz-Vorsitzender Schopbach: "Mundtot machen lasse ich mich niemals"

Politik
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Alexander Schopbach (48) aus Gelnhausen ist 1. Vorsitzender des Vereins Hand aufs Herz e.V. (www.handaufsherz-gn.de), der sich mit seinen rund 80 Mitgliedern parteiübergreifend und zivilgesellschaftlich mit Seminaren, Informationsveranstaltungen und vielfältigen Projekten für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt engagiert. Immer wieder unterstützt der Verein mit seinem bundesweiten Bündnis „Wir sind mehr!“ (www.wir-sind-mehr.com) Bündnisse in Städten und Kommunen, die Gegenkundgebungen zu AfD-Veranstaltungen organisieren.



Wenn die AfD am 9. September in Gelnhausen-Meerholz mit Alice Weidel und Tino Chrupalla ihren Wahlkampfauftakt zur Landtagswahl im Oktober veranstaltet, organisiert der Verein ebenfalls wieder ab 14.30 Uhr als Gegenkundgebung ein „Fest für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt“ direkt an der Sport- und Kulturhalle in Meerholz mit Livemusik, Infoständen und prominenten Rednern aus Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Landespolitik.

Was motiviert Sie, die AfD-Veranstaltungen mit Protest zu begleiten?
Alexander Schopbach:
"Aktuell motiviert mich die große Entschlossenheit der vielen Menschen vor Ort in den Städten und Gemeinden, ihre klare Haltung gegen den Hass und die Hetze der AfD. Da stehen alle Generationen, Menschen aller Konfessionen, aus allen Parteien von der CDU bis zur Linken und zeigen den Rechtsextremen die rote Karte. Die Empörung über das Treiben der AfD wird gerade in den Kommunen, in Vereinen, in der gesamten Zivilgesellschaft immer größer. Es bilden sich partei- und konfessionsübergreifend Bündnisse vor Ort, das ist einfach nur großartig! Wir haben das vor wenigen Wochen in Linsengericht erlebt und werden es am nächsten Freitag auch in Biebergemünd, eine Woche später in Schlüchtern, am 23. und 25. August in Brachttal und am 9. September in Gelnhausen erleben. 'Wir sind mehr!“' wird dort jedes Mal so eindrucksvoll mit Leben erfüllt, um ein Zeichen für unser demokratisches, weltoffenes, tolerantes und solidarisches Deutschland zu setzen…genau das spornt unsere 80 Vereinsmitglieder immer wieder aufs Neue an. Mich persönlich motiviert seit Jahrzehnten vor allem die Prägung durch meine Großeltern, die die Schrecken des Dritten Reiches und seine Anfänge hautnah erlebt haben. Sie berichteten mir oft, wie damals alles begann. Wie die NSDAP und ihre Schergen in jedem Dorf und jeder Stadt mit Hass, Hetze, Einschüchterung und national-patriotischen einfältigen Versprechungen die Menschen fingen. Ich bin heute zutiefst davon überzeugt, dass sich diese Geschichte gerade wiederholt. Das verpflichtende Erbe unserer Eltern und Großeltern, die Deutschland wieder aufgebaut und uns ein Leben in Freiheit, Demokratie und Wohlstand ermöglichen, das ist meine ganz persönliche Motivation."

Aus Ihren Reihen schallt es dann immer „Nazis raus“. Sind für Sie alle Besucher dieser Veranstaltungen Nazis?
Schopbach:
"Nein, natürlich nicht. Das sind auch viele vom derzeitigen politischen Establishment enttäuschte und frustrierte Menschen dabei. Zum 'Nazi sein' gehört mehr. Es sind aber keine dummen Menschen, die zur AfD rennen. Sie wissen ganz genau, dass sie es bei Björn Höcke und Co. mit Nazis zu tun haben. Sie applaudieren bei AfD-Veranstaltungen den national-patriotischen einfältigen Versprechungen der AfD-Vorturner. Und deshalb machen sie sich mitschuldig. Die 'Nazis raus'-Rufe meinen die AfD als Gesamtkonstrukt. Dass Björn Höcke Nazi genannt werden darf, haben ja mittlerweile sogar Gerichte bestätigt."

Ist der AfD-Landtagskandidat Jürgen Mohn ein Nazi?
Schopbach:
"Ich kenne Jürgen Mohn zu wenig, um beurteilen zu können, ob er ein Nazi ist. Wie gesagt, da gehört einiges dazu. Es ist aber auch völlig egal, ob Jürgen Mohn ein Nazi ist oder nicht. Er macht sich zum Vorturner der AfD, über die er jetzt als Landtagskandidat offenbar auch Karriere machen will. Er verbreitet national-patriotische, einfältige Versprechungen. Er wettert im Kreistag gegen Geflüchtete und vieles mehr. Damit stellt er sich ins Abseits der demokratischen Gesellschaft. Und wenn Sie mich jetzt fragen, ob die AfD nicht demokratisch ist, weil sie demokratisch gewählt wurde: Auch die NSDAP wurde einst demokratisch gewählt, der Rest ist traurige, vor allem mahnende und verpflichtende Geschichte…"

Aus der Politik werden Sie mal mehr und mal weniger unterstützt, jetzt vor der Landtagswahl scheinen sich die Parteien wieder mehr zu engagieren. Ist das nicht scheinheilig?
Schopbach:
"Dieser Eindruck ist falsch. Hand aufs Herz e.V. wird von allen demokratischen Parteien konstant unterstützt. Wir unterhalten ein riesiges aktives Netzwerk, halten Vorträge, beraten Kommunen wenn dort Querdenker oder eben die AfD ihr Unwesen treiben, haben kurze Drähte zur CDU genauso wie zu den Linken – bis zur Bundesebene. Genau das macht übrigens wehrhafte Demokratie aus: Trotz unterschiedlichster politischer Ansätze zusammenzustehen gegen Antidemokraten. Einer, der das immer wieder gut auf den Punkt bringt, ist der von mir sehr geschätzte ehemalige Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert (CDU). Wenn Vorsprung mit dabei ist, können wir ihn gerne einmal zu einer gemeinsamen Veranstaltung über die 'Wehrhafte Demokratie' in den Main-Kinzig-Kreis holen. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wird Politik aber oftmals zu hoch bewertet. Mindestens ebenso bedeutend ist die Zivilgesellschaft, sind Vereine, Verbände, Gewerkschaften, NGOs. Auch hier kooperiert Hand aufs Herz e.V. mit vielen Akteuren. Das sehen Sie beispielsweise an unserem deutschlandweiten Bündnis 'Wir sind mehr!' oder unserer Zusammenarbeit mit Transparency International."

Es ist noch gar nicht so lange her, da haben Demokraten den Kreistag verlassen, als rechte Parolen von NPD oder Republikaner am Rednerpult verkündet wurden. Bei der AfD bleiben alle sitzen…
Schopbach:
"Sie bleiben alle sitzen, das ist richtig. Ich kenne viele Kreistagsabgeordnete aus unterschiedlichen Fraktionen und weiß, dass sie da oftmals mit der geballten Faust sitzen. Sie haben meinen Respekt, weil die AfD Demokratie mit ihren eigenen Waffen schlagen will, eigentlich Zustände wie zum Ende der Weimarer Republik provozieren will. Den Gefallen tut ihnen aber kein Demokrat. Gleichwohl vermisse ich in jüngster Zeit immer öfters ein entschiedeneres Auftreten gegen die AfD seitens manchen Kommunalpolitikers. Da schwingt vielleicht die Angst mit, Wählerstimmen zu verlieren, wenn man zu deutlich klare Kante zeigt. Trauriger Höhepunkt war die Geflüchteten-Diskussion, als selbst Bürgermeister krassestes AfD-Wording an den Tag legten, offenbar um sich bei ihren Bürgern anzubiedern. Ich bin sehr froh, dass hier in der Kommunikation wieder abgerüstet wurde, weil genau das der AfD in die Karten spielt. Die Menschen wählen stets das Original, aber nie die Kopie. Und Anbiedern als Instrument der politischen Kommunikation durchschaut mittlerweile jeder."

Was muss denn politisch passieren, damit die AfD weniger Zustimmung aus der Bevölkerung erhält?
Schopbach:
"Die Sorgen und Ängste der Menschen in den aktuell schwierigen Zeiten müssen ernst genommen, gemeinsam mit ihnen Lösungen erarbeitet und umgesetzt werden. Politik hat sich gerade in den Städten und Gemeinden immer mehr von den Menschen entfernt, die so genannte 'Quartierarbeit' und den direkten Kontakt sträflich vernachlässigt. Heute sagen Politiker den Menschen, was gut und besser für sie ist, anstatt sich anzuhören, was die Menschen wünschen und das dann auch umsetzen. Das ist brandgefährlich und muss sich ändern. Ich nenne einige Beispiele aus meiner Heimatstadt Gelnhausen: Unterhalten Sie sich mal mit den Mitarbeitern der Veritas, die mittlerweile seit Jahren um ihre Arbeitsplätze bangen und emotional Achterbahn fahren. Die fühlen sich von der Politik komplett im Stich gelassen. Oder nehmen Sie das JOH-Debakel, den Mittlauer Weg, die geschlossene Stadthalle…alles Opfer einer zerstrittenen, sich mit juristischen Spitzfindigkeiten überziehenden Kommunalpolitik. Wie soll da Vertrauen in Politik entstehen, unsere Demokratie gefestigt werden? Um die Zustimmung der AfD zu reduzieren, muss aber auch immer wieder ganz klar gesagt werden, dass es sich um eine rechtsextreme, rassistische, national-patriotische Partei handelt, die dem Nazi Björn Höcke mittlerweile aus der Hand frisst. Wer ihr nachläuft, macht sich schuldig, stellt sich ins demokratische Abseits, setzt die Zukunft seiner Kinder und Enkelkinder aufs Spiel. Die aktuell laut Umfragen 20 Prozent AfD-Wähler dürfen deshalb auch kein Mitleid genießen. Wichtig sind die 80 Prozent, die noch demokratisch oder nicht wählen. Sie müssen wir davor schützen, den rechten Rattenfängern auch noch auf den Leim zu gehen. Die Nicht-Wähler unter ihnen müssen wir von Bürgerbeteiligung, von Demokratie, von aktiver Zivilgesellschaft und authentischer Politik direkt vor Ort wieder begeistern, denn auch hohe Wahlbeteiligungen und gesellschaftlicher Zusammenhalt schwächen Populisten und Rechtsextreme wie die AfD. Das ist aktuell die gemeinsame Aufgabe von Zivilgesellschaft und Politik, die über allem anderen steht. Hier erinnere ich wieder an die 'Wehrhafte Demokratie', die beispielsweise 1a gegriffen hat, als Friedrich Merz seine anbiedernden Äußerungen in Sachen Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene getätigt hat. Hier hat ihn seine eigene Partei sofort enteiert und größeren Schaden verhindert."

Es gibt auch Kritik an Ihrem Verein, beispielsweise wird Ihnen eine Nähe zur SPD nachgesagt. Klären Sie das doch mal auf.
Schopbach:
"Das hängt wahrscheinlich daran, dass ich mal SPD-Mitglied war und mich hier in Gelnhausen auch eine zeitlang für diese Partei engagiert habe. Da wir mit Hand aufs Herz e.V. jedoch viel nachhaltiger und erfolgreicher arbeiten und der Anspruch parteiübergreifend für uns oberste Prämisse ist, war es nur konsequent, dass ich als 1. Vorsitzender auch parteiunabhängig bin."

Neben der Kritik gibt es auch Anfeindungen. Fühlen Sie sich persönlich bedroht?
Schopbach:
"Es gab Zeiten, da war meine Wohnung kameraüberwacht nach diversen ernsten persönlichen Bedrohungen. Seitdem stehen wir in engem Kontakt mit der Polizei und dem Staatsschutz. Auch juristisch wollte man uns schon öfters kleinkriegen, wir haben aber immer vor Gericht gesiegt. Einschüchtern oder gar mundtot machen lasse ich mich niemals. Auch wenn es manchmal unschön ist. Das gilt auch für meine engsten Mitstreiterinnen und Mitstreiter. An die Verunglimpfungen, Unwahrheiten und Gehässigkeiten in den sozialen Medien habe ich mich mittlerweile gewöhnt, die blende ich heute weitgehend aus."

Wie lange werden Sie diesen Protest durchhalten?
Schopbach:
"Das parteiübergreifende Einstehen der demokratischen Mitte für unsere humanistischen Grundwerte, Freiheit und unsere großartige Verfassung wird niemals enden. Das ist heute – Dank des Vermächtnisses unserer Eltern und Großeltern – quasi gesellschaftliches Naturgesetz und weder an unseren Verein Hand aufs Herz e.V. noch an einzelne Personen geknüpft. Ich persönlich halte ewig durch, solange ich gesund und munter bin."


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