„Günter Guillaume war mir auf Anhieb sympathisch!“

Gelnhausen
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Kurz vor dem Ende des Unterrichts und unmittelbar vor den mündlichen Abiturprüfungen konnte ein Geschichtskurs der Jahrgangsstufe 13 des Grimmelshausen-Gymnasiums unter Leitung von Dr. Sebastian Haude noch einmal einen besonderen Gast begrüßen: den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Hanau, Herrn Bernd Reuter aus Nidderau.



Bernd Reuter, der von 1980 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages war, stellte dabei für die Abiturienten einen idealen Gesprächspartner dar: Schließlich hatte er viele der zuvor im Kurs thematisierten Ereignisse der bundesrepublikanischen Geschichte persönlich erlebt oder sogar mitgestaltet.

So hatte der ehemalige Abgeordnete zunächst angedeutet, „aus dem Nähkästchen“ plaudern zu wollen, brachte aber dann doch gleich den ganzen Nähkorb nach Gelnhausen mit. In lockerer Atmosphäre bei Kuchen und Getränken sprach Reuter mit den pünktlich zur „Motto-Woche“ kostümierten Schülern über die gesamten 22 Jahre seiner Abgeordnetentätigkeit. Dabei gelang es ihm stets eindrucksvoll, die „großen Linien der Geschichte“ durch seine individuellen Eindrücke von Persönlichkeiten und deren Handeln auf eine menschliche Ebene herunterzubrechen.

Vom Mauerfall und den sich daraufhin überschlagenden Ereignissen, so Reuter, habe er beispielsweise zuerst auf der Toilette des „Langen Eugen“ beim Händewaschen erfahren. Damals sei der frühere Berliner Bürgermeister Dietrich Stobbe plötzlich aufgeregt zur Tür hereingestürmt und habe gerufen: „Bernd, weißt du schon, die Mauer ist gefallen!“ „Ich dachte zuerst an einen Unfall“, erzählte Reuter, „und erkundigte mich sogar nach Verletzten – erst, als er mich dreimal fragte, ob ich schon etwas getrunken habe, begriff ich, was wirklich los war!“

Dann berichtete Reuter dem Kurs, dass es in der folgenden Zeit in rasantem Tempo mit der Wiedervereinigung vorangegangen und ihm bei der Bewältigung aller Aktenberge auf seinem Schreibtisch fast schwindelig geworden sei. „Eines Tages“, so Reuter, „war der Stapel so gewaltig und die Zeit so kurz, dass ich das nicht mehr geschafft habe und mich schließlich sogar weigerte, einfach so ´blind´ zuzustimmen.“

Auch von dem damaligen Kanzler Helmut Kohl konnte Reuter persönliche Eindrücke schildern. Besonders sei ihm dessen Humor in Erinnerung: „Einmal saßen Kohl, sein Kanzleramtschef Schmidbauer und ich zusammen“, schilderte Reuter. „Kohl war offenbar ärgerlich auf Schmidbauer und fragte mich plötzlich, wie alt ich sei. Nachdem er meine Antwort gehört hatte, sagte er: `Schmidbauer, warum ist der Herr Reuter ein Jahr jünger als Sie, aber so viel vernünftiger?´“

Ein anderes Thema, das in der Runde zur Sprache kam, war der Rücktritt Willy Brandts aufgrund der Agentenaffäre Guillaume. Auch hierzu wusste Reuter Interessantes zu berichten, hatte er doch den späteren Spion Günter Guillaume noch während seiner Zeit als Stadtrat in Nidderau persönlich kennengelernt. Guillaume kontaktierte damals Reuter, weil dieser in einem Grundstücksgeschäft für einen anderen ein gutes Wort einlegen sollte. „Als ich Jahre später von der Spionage Guillaumes erfuhr, hielt ich das zuerst für eine Falschmeldung. Ich glaubte nicht daran, dass der Mann, der sich damals mir gegenüber so freundlich und geradezu kumpelhaft gegeben hatte, jetzt tatsächlich zum Königsmörder des Kanzlers werden sollte.“

Ähnliche Episoden, die nicht selten von Lachern begleitet wurden, konnte Reuter auch von anderen Personen der Zeitgeschichte erzählen. An Helmut Schmidt beispielsweise seien ihm, so der ehemalige Abgeordnete, vor allem dessen scharfer, überlegener Intellekt, aber auch seine manchmal schroffe und abweisende Art in Erinnerung: „Bei einer wichtigen Abstimmung im Bundestag zur Nachrüstung stellte ich plötzlich fest, dass Willy Brandt ja gar nicht da war“, erzählte Reuter dem Kurs. „Da lief plötzlich Schmidt an meinem Platz vorbei, und ich sprach ihn auf meine Beobachtung an.“ Der Kanzler habe zuerst kurz aufgeschaut. „Dann hat er mir zugeraunt: `Wer für den Frieden ist, hat wohl Wichtigeres zu tun!´, hat sich umgedreht und war weg.“

Am Ende des gemütlichen Gesprächskreises war es Bernd Reuter ein wichtiges Anliegen, sich noch einmal über die Zukunftspläne der Abiturienten zu informieren. Besonders erfreut stellte er dabei fest, dass einige der jungen Erwachsenen politisches Interesse zeigen. Reuter appellierte daher an sie, sich gesellschaftlich zu engagieren und das Geschehen in der Welt nicht nur passiv hinzunehmen: „Einer, der bei der Jungen Union ist, ist mir lieber als einer, der gar nichts macht!“

Die Schüler und ihr Lehrer Dr. Sebastian Haude bedankten sich abschließend noch bei Herrn Reuter für die kurzweilige Runde, die allen viel Spaß gemacht hatte.

Foto: Bernd Reuter MdB a.D. mit Dr. Sebastian Haude und Schülern des Geschichtskurses der Jahrgangsstufe 13.


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