Konjunktur im MKK: Die Flaute ist da

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Über fast alle Branchen hinweg schwächt sich die Konjunktur im Main-Kinzig-Kreis ab - und zwar deutlich. Das ist noch keine Wirtschaftskrise, denn dafür schätzen die Unternehmen ihre aktuelle Lage als viel zu gut ein. Eine deutlich spürbare Rezession steht – vorerst – nicht bevor, gibt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern Entwarnung. Allerdings ist auch keine schnelle Besserung zu erwarten, dafür fehlen die Voraussetzungen.



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Beruhigend ist: Zurzeit bewerten noch 37,7 Prozent der antwortenden 197 Unternehmen aus dem Main-Kinzig-Kreis ihre gegenwärtige Lage als gut. Zu bedenken ist: Vor zwölf Monaten lag dieser Wert noch bei sehr hohen 50,5 Prozent. Als dezidiert „schlecht“ stufen momentan nur 9,7 Prozent der Unternehmen ihre Situation ein – vor einem Jahr waren es bloß 6,5 Prozent. Werden die Unternehmensantworten „gut“ und „schlecht“ saldiert, kommt aktuell mit 28,0 Punkten ein zwar deutlich positives Resultat zutage, welches aber erheblich unterhalb des sehr hohen Werts von 44,0 Punkten im Herbst 2018 liegt. „Wir sehen im Jahresverlauf eine schleichende Verschiebung bei den Lageeinschätzungen ins Schlechtere. Aber noch ist diese Bewegung über alle Branchen hinweg betrachtet nicht Besorgnis erregend“, bewertet IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde den aktuellen Befund.

Mehr Pessimisten, weniger Optimisten
Deutlich mehr Sorgen bereitet der IHK die nähere Zukunft. Denn nur noch jedes 12. aus allen wichtigen Branchen im MKK befragte Unternehmen (8,2 Prozent) geht davon aus, dass sich seine Geschäftslage in den kommenden zwölf Monaten verbessert. Vor einem Jahr lag der Anteil der Optimisten über alle Branchen betrachtet mit 15,6 Prozent noch fast doppelt so hoch. „Der aktuelle Wert ist niedrig und der Wert vor einem Jahr war auch noch nicht sensationell. Denn im Oktober 2017 war über ein Fünftel aller Unternehmen positiv gestimmt“, ordnet Quidde die Angaben der Unternehmen ein. Deutlich von 10,8 Prozent auf nunmehr 25,6 Prozent angestiegen ist im Jahresverlauf der Anteil der Pessimisten. „Die kaufmännische Vorsicht ist bei den meisten Antworten mit Händen zu greifen“, bemerkt Quidde, dem allerdings ein aktueller Saldo von -17,4 „noch keine tiefen Sorgenfaltenbereitet. Es kann immer noch sein, dass die Weltwirtschaft wieder in Tritt kommt, wenn sich China und die USA im Handelsstreit rasch einigen und wenn es gelingt, den Brexit wirtschaftsfreundlich zu gestalten.“ Noch ist das Auftragspolster in der Industrie so dick, dass ein kurzfristiger Rückgang bei den Auftragseingängen keine Krise auslöst. „Es kann sein, dass der aktuelle wirtschaftliche Einbruch eine Episode bleibt – aber dafür müssen die Vorzeichen stimmen“, kommentiert Quidde.

„Ich bin unbedingt dafür, dass der Staat an der ‚schwarzen Null‘ eines ausgeglichenen Haushalts festhält und Verschuldung vermeidet. Denn die meisten Investitionen, die der Staat rasch tätigen kann, würden auf die Baubranche zukommen. Ausgerechnet der wiederum geht es noch mit am besten. Die Branche sucht immer noch eher zusätzliche Fachkräfte, um ihre Aufträge abarbeiten zu können. Auch das zeigt: Die Unternehmen wissen selbst am besten, wo sie investieren sollten, um die Wirtschaft anzukurbeln. Weniger Bürokratie, einfache und wirtschaftsfreundliche Regeln bei Erbschaft- und Grundsteuer sowie endlich eine erleichterte Sonntagsöffnung viermal jährlich könnten dazu beitragen, die Stimmung in der Wirtschaft erneut ins Positive zu drehen.“

Konjunktur-Klima-Indikator sinkt deutlich
Die Angaben aus den Unternehmen schicken den IHK-Konjunktur-Klima-Indikator, er gewichtet die Angaben zur Lage und zu den Erwartungen, in den Keller. Er erreicht dieses Mal mit nur noch 102,8 Punkten den niedrigsten Wert seit Ende 2009 / Anfang 2010. Vor einem Jahr lag die zentrale Kennzahl noch bei sehr soliden 122,9 Punkten. Quidde dazu: „Der Indikator bewegt sich klar in Richtung Talsohle. Dort wird er auch landen, wenn die Weltwirtschaft nicht bald wieder in Schwung kommt. Die Unternehmen im Main-Kinzig-Kreis exportieren fast zwei Drittel ihrer Produktion, die Hälfte davon wir in Länder außerhalb der EU geliefert. Strafzölle und Handelskriege sind da Gift für uns.“

Industrie in Sorge, andere Branchen belastet
Viele Industriebetriebe bekommen die Konjunkturflaute schon seit einigen Monaten zu spüren: Über eine gute Lage berichten derzeit zwar noch stolze 32,1 Prozent, aber das sind 23,1 Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr. Der Anteil der Unternehmen mit schlechter Geschäftslage hat sich in zwölf Monaten von 7,5 auf nun 17,9 Prozent mehr als verdoppelt.

Der Blick auf die kommenden Monate verheißt wenig Gutes – die Pessimisten überwiegen deutlich, der Saldo kommt nur noch auf -24,6 Prozent. Regelrecht verheerend sieht die nahe Zukunft bei den „Vorleistungsgüterproduzenten“ aus. Diese Gruppe der Industriebetriebe erwartet – ihr Saldo liegt bei -40,0 Punkten (2018: 0 Punkte) – eine schwere Krise. Auch bei den Erzeugern von Ge- und Verbrauchsgütern ist der Erwartungs-Saldo massiv auf jetzt -50 Punkte abgestürzt – viele Kfz-Zulieferunternehmen gehören zu diesem Wirtschaftszweig.

Die Folgen der Flaute, zum Beispiel eine deutliche Zurückhaltung bei den Investitionen, kommt mittlerweile sogar die Bauwirtschaft zu spüren, deren Sonderkonjunktur sich – nicht nur vor dem Hintergrund der hohen Immobilienpreise – langsam abzukühlen scheint. Deutlich stärker betroffen sind diejenigen Unternehmen, welche als Dienstleister für die Industrie tätig sind, etwa das Transportgewerbe oder auch andere Branchen. Die Vergabe neuer Aufträge erfolgt oft nur noch zögerlich.

Die negativen Folgen für den Handel sind zwar in der Konjunkturumfrage bereits ablesbar, aber noch nicht wirklich massiv – mit einer Ausnahme: Der in der Region starke Großhandel muss schon gegen eine Rezession kämpfen. Das innerörtliche Gastgewerbe und der innerstädtische Einzelhandel erweisen sich noch als relativ resistent gegenüber dem Abschwung. Die gegenwärtige Lage wird vom Handel insgesamt zu 30,1 Prozent als gut und zu 7,2 Prozent als schlecht bewertet, für die nähere Zukunft sind 5,9 Prozent der Händler optimistisch und 22,1 pessimistisch.

Die unverändert unbefriedigende Situation im Kreditgewerbe hat mit dem Strukturwandel zu tun, die Branche hat zudem mit den Negativzinsen des Europäischen Zentralbank schwer zu kämpfen. Vergleichsweise gut geht es derzeit nur denjenigen Betrieben, die kaum exportieren oder die sich auf personenbezogene Dienstleistungen spezialisiert haben.

Noch immer erfreulich stabil ist der Arbeitsmarkt, der üblicherweise erst im Nachhinein das Auf und Ab der Konjunktur nachvollzieht. Die Unternehmen fahren zwar ihre Personalpläne vorsichtig zurück. Addiert man die Angaben größerer Unternehmen aus dem Main-Kinzig-Kreis, die jüngst Pressemeldungen über Entlassungen veröffentlicht haben, kommt es in diesem und im nächsten Jahr zu circa 1.500 Entlassungen. Aber noch ist der Arbeitsmarkt aufnahmefähig. Das zeigt sich auch daran, dass der Fachkräftemangel von den Unternehmen laut IHK-Konjunkturumfrage noch immer als größtes Risiko angesehen wird nämlich von 54,6 Prozent der Unternehmen. Ergänzend dazu befragte die IHK die Unternehmen nach ihren offenen Stellen: 43,8 Prozent der kleinen Unternehmen suchen derzeit noch neue Mitarbeiter, bei den mittelständischen und größeren Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern ist es sogar über die Hälfte. „Weil alle diese Unternehmen auch in Zukunft noch erfolgreich am Markt sein wollen, werden sie in Zeiten des Fachkräftemangels ihre Mitarbeiter unbedingt halten wollen. Denn wenn die Wirtschaft wieder anziehen wird, würden sie diese erfahrenen Mitarbeiter schmerzlich vermissen, ohne rasch neue finden zu können. Der Arbeitsmarkt, die noch immer recht solide Binnenkonjunktur und die hohe Erwerbstätigenquote stabilisieren momentan die Konjunktur“, zeigt sich der IHK-Hauptgeschäftsführer unter dem Strich dann doch nicht so pessimistisch.


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