„Nach maximal 10 Sekunden wird man ohnmächtig“

Begibt man sich in ein stark verrauchtes Haus, sieht man nichts. Klassenlehrerin Melanie Rehn soll innerhalb kurzer Zeit versuchen, blind von der Ecke des Klassenzimmers zur Tür zu gelangen. Die Kinder sehen, dass das viel länger dauert als gedacht. Brandschutzerziehungskoordinator Oliver Groß passt auf, dass die Lehrerin nicht stürzt.

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In dem kleinen Holzhaus auf dem Tisch verdichtet sich innerhalb weniger Minuten der simulierte Brandrauch. Im Nachbarzimmer bleibt die Luft klar. „Doch was passiert, wenn ihr die Tür öffnet?“, fragt Brandschutzerziehungskoordinator Oliver Groß die Drittklässler und öffnet das Türchen. Die Kinder schreien überrascht auf, innerhalb weniger Sekunden hat sich der Rauch überall ausgebreitet.



Oliver Groß ist seit einem Dreivierteljahr im Main-Kinzig-Kreis Brandschutzerziehungskoordinator und ist für die Brandschutzerziehung in den dritten Schulklassen zuständig. Heute ist er in der Ysenburgschule in Gelnhausen zu Gast. Die Klassenlehrerin Melanie Rehn hat die 3a bereits in zwölf Schulstunden im Fach Sachunterricht auf das Thema Brandschutz vorbereitet: Welches Material brennt? Wie verhält man sich im Brandfall? Wie setzt man einen Notruf ab? An diesem Vormittag werden in vier Schulstunden mit Oliver Groß die Themen nochmal veranschaulicht.

In einem verrauchten Gebäude herumlaufen, wie man es oft in Filmen sieht, ist keine gute Idee. „Denn nach maximal zehn Sekunden wird man ohnmächtig – das heißt, ein bis dreimal einatmen“, warnt Oliver Groß. „Deshalb dürft ihr nicht durch ein rauchendes Haus laufen.“ Aber auch aus einem anderen Grund hilft das Herumirren nicht, denn man sieht nichts im Rauch. Klassenlehrerin Melanie Rehn stellt sich für den Test zur Verfügung: Mit einem schwarzen Schlauchschal über den Augen wird sie in die Zimmerecke geführt und bekommt zehn Sekunden Zeit, den Ausgang zu finden. Die Kinder feuern sie an, sie schafft aber gerade einmal fünf Tische. Wenn es im Schulgebäude so stark brennt, dass alles voller Brandrauch ist, sollen die Kinder die Tür schließen, das Fenster öffnen und sich der ankommenden Feuerwehr, die die Lehrerin verständigt, bemerkbar machen. „Kann ich aus dem Fenster springen?“, fragt ein Kind. „Grundsätzlich sollte niemand von einer Stelle herunterspringen, die mehr als doppelt so hoch liegt wie man selbst groß ist“, erklärt Oliver Groß.

Der 42-jährige Verbandsführer ist seit 28 Jahren bei der freiwilligen Feuerwehr. Seine neue Position zum Brandschutzerziehungskoordinator hat sich durch eine Neuerung des hessischen Schulgesetztes ergeben, in dem seit diesem Jahr die Brandschutzerziehung der Verkehrserziehung vonseiten der Polizei gleichgestellt wird. Damit erhält die Brandschutzerziehung in den Schulen denselben Stellenwert und die notwendigen Ressourcen. Auch im Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz sind die Aufgaben der Brandschutzerziehung geregelt. „Das Drei-Säulen-Modell sieht vor, dass das Land die Lehrkräfte stellt, der Main-Kinzig-Kreis einen Brandschutzerziehungskoordinator beschäftigt und die Kommunen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs Brandschutzerziehung anbieten“, fasst Markus Busanni, Kreisbrandinspektor und Leiter der Abteilung „Brand- und Katastrophenschutz“ des Amts für Gesundheit und Gefahrenabwehr, zusammen. 400 Brandtote gibt es pro Jahr in Deutschland, rund 10.000 Personen erleiden Brandverletzungen. „Zu den Hauptgründen gehören geringe Kenntnis über den Brandschutz, falsches Verhalten bei Bränden sowie fahrlässige Brandstiftung von Kindern“, erläutert Christian Hinrichs, Leiter des Sachgebiets Abwehrender Brandschutz, Zivil- und Katastrophenschutz. Daher ist es das Ziel des Landes Hessen, so früh wie möglich die Kinder im Bereich Brandschutz zu sensibilisieren sowie die Brandschutzerziehung zu fördern.

Oliver Groß hat für den Vormittag in der Klasse 3a viele Themen vorbereitet. Er bespricht mit den Kindern den Rauchwarnmelder zu Hause, den Ablauf im Fall eines Brandes in der Schule, zeigt, was im Haushalt Feuer fangen kann, wie man ein Streichholz richtig anzündet und entsorgt und erklärt, warum man brennendes Öl in der Küche nicht mit Wasser löscht, sondern mit einem Deckel erstickt und den Herd ausschaltet. Auf großes Interesse stößt die Übung, einen Notruf abzusetzen. Jeweils ein Kind bekommt auf einem Blatt eine Situation geschildert und muss diese über einen Notruf kommunizieren. Dazu erhält das Kind ein Festnetztelefon, dessen Anruf am Pult bei Oliver Groß herauskommt. Die Kinder merken schnell, dass es mit ein bisschen Aufregung gar nicht so einfach ist, schnell das Wesentliche zu formulieren. Dafür wird aber jeder Anrufer mit großem Applaus der anderen Kinder belohnt.

Schulleiterin Birgit Hassel und die in der Brandschutzerziehung beteiligten Lehrerinnen der Ysenburgschule resümieren: „Wir halten die Brandschutzerziehung für eine grundlegende Aufgabe und finden es gut, dass diese nun institutionalisiert wurde. Den Kindern hat die Unterrichtseinheit viel Spaß gemacht. Sie waren mit großem Eifer dabei und haben viel gelernt.“ Im Schuljahr 2022/2023 nehmen in 20 Grundschulen des Main-Kinzig-Kreises 55 dritte Klassen am Programm der Brandschutzerziehung teil. Im Schuljahr 2021/2022 wurde das Konzept in sieben Modellschulen erprobt. „Im Schuljahr 2023/2024 kommen dreizehn weitere Grundschulen hinzu, so dass bis dahin in jeder Kreiskommune mindestens eine Grundschule, in manchen auch zwei, im Projekt vertreten sein sollten“, kündigt Günther Seitz, Abteilungsleiter Gefahrenabwehr und stellvertretender Leiter des Amts für Gesundheit und Gefahrenabwehr, an.

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Begibt man sich in ein stark verrauchtes Haus, sieht man nichts. Klassenlehrerin Melanie Rehn soll innerhalb kurzer Zeit versuchen, blind von der Ecke des Klassenzimmers zur Tür zu gelangen. Die Kinder sehen, dass das viel länger dauert als gedacht. Brandschutzerziehungskoordinator Oliver Groß passt auf, dass die Lehrerin nicht stürzt.

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Mithilfe des Rauchhauses erklärt Brandschutzerziehungskoordinator Oliver Groß den Kindern der 3a der Ysenburgschule, welchen großen Effekt geschlossene Zimmertüren im Falle eines Brandes haben: Noch befindet sich der Brandrauch ausschließlich im rechten Raum, im linken Raum ist die Luft weitgehend klar.

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Mithilfe des Rauchhauses erklärt Brandschutzerziehungskoordinator Oliver Groß den Kindern der 3a der Ysenburgschule, wie viel Effekt im Falle eines Brandes geschlossene Zimmertüren haben: Noch befindet sich der Brandrauch ausschließlich im rechten Raum, im linken Raum ist die Luft weitgehend klar. Würden die Kinder in den verrauchten Raum gehen, könnten sie, wie an der Tafel geschrieben, nur ein bis dreimal einatmen (maximal 10 Sekunden), bevor sie ohnmächtig werden.


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