Sieben Zwerge mal ganz anders

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Das Premierenfieber im Amphitheater steigt wieder – allerdings zum vorerst letzten Mal in der laufenden Saison der Brüder Grimm Festspiele.



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Am Samstag, 8. Juni, heißt es um 19.30 Uhr "Bühne frei" für "Schneewittchen". Wer allerdings ein Theaterstück erwartet, in dem sieben freundliche Zwerge einfach fleißig ihre Arbeit machen und ansonsten auf die hübsche Prinzessin aufpassen, der wird sich wundern. Im Buch von Stephan Lack, der damit den diesjährigen Autorenwettbewerb der Festspiele gewann, erzählen die sieben ihre ganz eigene Schneewittchen-Geschichte.

Eigentlich ist das Märchen von Schneewittchen zügig erzählt: Die Prinzessin ist wegen ihrer Schönheit der Stiefmutter schon immer ein Dorn im Auge. Als der Zauberspiegel dieser schließlich verkündet, nun sei das Mädchen sogar noch schöner als die attraktive Stiefmutter selbst, platzt ihr der Kragen und sie befiehlt einem Jäger, das Kind im Wald zu töten. Der Jäger bringt das aber nicht übers Herz und lässt Schneewittchen entkommen. Die Prinzessin gerät auf ihrer Flucht in das Haus der sieben Zwerge, die sie bei sich aufnehmen. Durch den Zauberspiegel aber erfährt die Stiefmutter, dass das verhasste Stiefkind doch noch am Leben ist, nämlich "hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen" und beschließt, das Ganze selbst in die Hand zu nehmen. Als alte Frau verkleidet schafft sie es schließlich, dem arglosen Schneewittchen einen vergifteten Apfel zu geben – das Mädchen "stirbt". Die untröstlichen Zwerge bahren die Prinzessin in einem gläsernen Sarg auf, ein Prinz kommt vorbei, verliebt sich und durch einen glücklichen Zufall kann Schneewittchen doch noch gerettet werden.

Soweit die ursprüngliche Handlung. In der Version 2019, mit der Stephan Lack den diesjährigen Autorenwettbewerb der Brüder Grimm Festspiele gewann, wird diese zwar auch erzählt, aber eben ein bisschen anders. Erzählerin ist in diesem Fall die Amme Schneewittchens gemeinsam mit den Zwergen, die übrigens so nicht genannt werden wollen, sondern lieber als "Bergmänner" fungieren und von denen jeder eine ganz eigene Sicht der Ereignisse hat. Im Zuge ihrer Geschichte schlüpfen die sieben in verschiedene Rollen und stellen nicht nur sich, sondern auch Schneewittchens Vater, den Zauberspiegel oder den Jäger dar. In der Hanauer Inszenierung geht es also nicht nur um Neid, Missgunst und vergiftete Äpfel, sondern vor allem um Freundschaft, Liebe und Toleranz. Denn: Während sich Schneewittchen und die sieben Bergmänner gemeinsam gegen die böse Stiefmutter stemmen, lernen sie auch noch, ihre Vorurteile gegen verwöhnte Prinzessinnen und etwas zu klein geratene Männer zu überwinden.

Die Zuschauer können sich auf jeden Fall auf eine rasante Geschichte freuen, weiß Intendant Frank-Lorenz Engel: "Es verspricht, sehr amüsant zu werden, und es ist ein Fest für Schauspieler, diese Rollen zu spielen. Die Geschichte von Stephan Lack hat zudem eine klare Botschaft ohne moralischen Zeigefinger." Damit habe der Wettbewerbssieger aus seiner Sicht ins Schwarze getroffen, sagt Engel. Der Autorenwettbewerb, der jetzt zum dritten Mal durchgeführt wurde, sei eine Erfolgsgeschichte für sich. Die Festspiele seien damit nochmal "in Fachkreisen" bundesweit präsent, zeigten ihre Innovationsfähigkeit ("Wir machen eben immer mal was Neues"), und zudem ergebe sich so die Möglichkeit, immer wieder neue Autoren kennenzulernen, ein Netzwerk zu knüpfen. Ein Blick auf die Jury zeigt, dass hier Fachleute am Werk sind: der österreichische Theater- und Filmautor Stefan Vögel als Vorsitzender, Anja Del Caro (Chefdramaturgin Hamburger Kammerspiele), Theaterautorin Sonja Valentin sowie Horst Johanning, Direktor des Contra-Kreis-Theaters Bonn. "Ich freue mich, dass die Entscheidung für Stephan Lacks Text einstimmig war und kann mich auf die Expertise des Gremiums einfach verlassen. Dessen Mitglieder haben den Wortwitz des Buches ebenso gewürdigt wie die liebevoll gezeichneten Zwerge, die in dieser Version wirkliche Individuen und nicht nur eine Gruppe sind", so der Intendant.

Übrigens: Der Borkener Heimatforscher Eckhard Sander fand heraus, dass es für "Schneewittchen" wohl tatsächlich ein Vorbild gab. In einer Dokumentation belegt er mögliche Parallelen zwischen dem Märchen und der Grafentochter Margaretha, Tochter des waldeckischen Grafen Philipp IV. von Wildungen. Margaretha galt als besonders hübsch, lebte in Belgien (von Waldeck aus gesehen über dem Siebengebirge, den "sieben Bergen"), wo sie im Alter von nur 21 Jahren vergiftet wurde. Auf die Geschichte stieß Sander, der eigentlich Lehrer für Mathematik und Deutsch war, durch Zufall: Beim Stöbern nach Beweisen für Kinderarbeit in den Kupfergruben des Kellerwaldes im 16. Jahrhundert. Tatsächlich fand der Heimatforscher unter anderem im Marburger Staatsarchiv Beweise dafür, dass Kinder schon im jüngeren Alter unter Tage arbeiten musste, dabei Filzkappen zum Schutz trugen und in kleinen "Ein-Zimmer-Häuschen" lebten. Durch die schwere Arbeit im Berg vergreisten die Kinder frühzeitig und sahen mit spätestens 20 klein und verkrüppelt aus – eben wie Zwerge im Märchen "Schneewittchen" in der Fassung des Wiener Autors Stephan Lack ist eine rasante Geschichte mit vielen Überraschungen. Regie führt Lajos Wenzel. Die Bühne wird gestaltet von Tobias Schunck, die Kostüme stammen von Ulla Röhrs, für die Maske ist Wiebke Quenzel verantwortlich. Das Stück ist für Familien geeignet. Premiere ist am Samstag, 8. Juni, um 19.30 Uhr im Amphitheater.

Hintergrund

Mit den Brüder Grimm Festspielen ehrt die Stadt Hanau seit 1985 die deutschen Märchensammler und Sprachforscher Jacob und Wilhelm Grimm, die in Hanau geboren wurden. Jedes Jahr locken die preisgekrönten Festspiele rund 80.000 Besucher an. Bei den Grimm-Inszenierungen handelt es sich um Uraufführungen, die in den vergangenen Jahren mehrfach mit dem "Deutschen Musical Theater Preis" ausgezeichnet worden sind. 2019 finden die 35. Festspiele mit den Stücken "Jacob und Wilhelm - Weltenwandler" (Musical), "Die Bremer Stadtmusikanten" (Familienstück mit Musik), "Schneewittchen" (Schauspiel) sowie "Maria Stuart" (Reihe Grimm Zeitgenossen) vom 10. Mai bis 28. Juli statt. Spielstätte ist das überdachte Amphitheater im Park von Schloss Philippsruhe. In der Reihe "Junge Talente" wird in der Wallonischen Ruine außerdem "Die Leiden des Jungen Werther" (Premiere am 19. Juli aufgeführt).

Weitere Informationen über die Brüder Grimm Festspiele gibt es im Internet unter www.festspiele.hanau.de. Tickets gibt es im Hanau Laden am Freiheitsplatz, an allen bekannten Vorverkaufsstellen sowie im Internet unter www.frankfurt-ticket.de oder auch unter der Telefonnummer 069 / 13 40 400. Die Festspiel-Tickets berechtigen zwischen dem 10. Mai und dem 28. Juli 2019 auch zum kostenfreien Eintritt ins GrimmsMärchenReich, dem neuen Mitmachmuseum im Schloss Philippsruhe.

Foto-Copyright: BGF / Julian Freyberg


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