Um kluge Köpfe an regionale Unternehmen zu binden

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Für mehr Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft hat die Wirtschaftsförderung Wetterau (wfg) auf ihrem jüngsten Wirtschaftsforum „Hochschule als Innovationsmotor für regionale Wirtschaft“ in der LINAK GmbH in Nidda geworben.



Eine intensivere Zusammenarbeit von Unternehmen und Hochschulen - etwa im Dualen Studium - könne der Abwanderung gut ausgebildeter junger Menschen vom Land vorbeugen und damit dringend benötigte Fachkräfte in der Region halten. Eine Win-Win-Situation für kluge Köpfe und zukunftsorientierte Betriebe.

„Neue Technologien wie die Digitalisierung verändern die Lebens- und Arbeitswelt rasant“, stellte wfg-Geschäftsführer Bernd-Uwe Domes, fest. Auch für die 22.000 Betriebe im Wetteraukreis mit ihren rund 80.000 Beschäftigten. Unternehmen müssen sich fragen: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Was sind unsere Kernkompetenzen? Und: Wie können wir diese für die Zukunft weiterentwickeln? Wer im Markt wettbewerbsfähig bleiben will, sieht sich vor der Herausforderung, sein Knowhow für Produktion, Marketing oder Vertrieb kontinuierlich zu optimieren. Wie können Firmen dabei von Hochschulen profitieren? Durch Wissens- und Bildungstransfer, z. B. durch junge Menschen, die ihr Kapital in den Köpfen haben. Domes: „Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten in der Wetterau bereits punktuell zusammen. Als Wirtschaftsförderer sehen wir eine unserer Kernaufgaben darin, die systematischen Strukturen für diese Zusammenarbeit auszubauen.“

Die Bedingungen von Seiten der Hochschul-Angebote sind günstig: Die Wetterau liegt mitten in einem der dichtesten Hochschulnetze in Deutschland. An der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) studieren aktuell 18.136 Frauen und Männer (davon 5900 allein in Friedberg) an neun Standorten in sechs Landkreisen, unter anderem Ingenieurs-, Natur- und Informationswissenschaften. „Wir sind damit die viertgrößte Hochschule für angewandte Wissenschaften in Deutschland und die größte in Hessen“, so Professor Dr. Matthias Willems. Und eine ausgezeichnete: Die THM erhielt den bislang einzigen Hessen Award für ihr Duales Studium. Neue Perspektiven für die gesamte Region, darin sind sich die Wirtschaftsförderer und der Hochschulpräsident einig, könne das geplante FrAnTz, das Friedberger Anwender- und Technologiezentrum der THM mit Räumen für Gründer und Startup-Unternehmen auf dem Areal der ehemaligen US-Kaserne Ray Barracks eröffnen.

Duales Studium wird immer bedeutender

„Die Not an Fachkräften wächst von Nord nach Süd“, erläuterte der Präsident der THM. „Gut ausgebildete junge Leute werden knapp. Im Kampf um die klugen Köpfe wird das Duale Studium immer bedeutender.“ Im Dualen Studium, das in Hessen seit zehn Jahren angeboten wird, wechseln sich Theoriephasen an der Hochschule mit Praxiszeiten im Unternehmen ab. Rund 50 Prozent der siebensemestrigen Ausbildung mit Bachelor-Abschluss verbringen die Absolventen dabei für individuelle Projekte in einem Betrieb - betreut von einem Hochschulprofessor und einem Firmenvertreter. Während des Bachelor-Studiums sind sie das sechste Semester vor ihrer Abschlussarbeit komplett vor Ort. Ihre Abschlussarbeiten, stellt der THM-Präsident fest, sind „meistens praxisbezogen“, setzen sich also mit den Anforderungen, Vorstellungen und Wünschen ihres „Arbeitgebers auf Zeit“ auseinander. Was die Unternehmen für den direkten Wissenstransfer auf dem neuesten Stand der Forschung investieren müssen: Rund 1000 Euro pro Monat über sieben Semester.

Eine Investition, die sich für die König + Neurath AG gelohnt hat. David Schuch „aus einem 1000-Einwohner-Dorf im Hunsrück und nach einer ironischen Selbsteinschätzung Opfer der Landflucht“ hat 2013 Abitur gemacht. Danach im Fachbereich Holztechnik sein Studium zum „Bachelor of Engineering“ an der Hochschule Baden-Württemberg abgeschlossen. Und Praktika bei dem Büromöbelhersteller in Karben (90.000 Quadratmeter Fläche, neun Showrooms in Europa, eigene LKW-Flotte, 161 Millionen Umsatz jährlich) absolviert. Seit diesem Jahr hat er die Gesamtverantwortung für den Bereich Intralogistic. Im direkten Transfer von theoretischem Wissen in praktische Betriebsabläufe sieht Schuch den größten Vorteil des Dualen Studiums. Sowohl für die Lernenden wie für den Betrieb. Wer sich bewährt, hat gute Chancen übernommen zu werden, so Ilona Hennicke, Referentin für Marketing und Kommunikation in dem Karbener Unternehmen. Ein weiteres Plus für den Betrieb: Die Einarbeitungszeit für den neuen Mitarbeiter entfällt.

Auch Søren Rasmussen, Geschäftsführer der LINAK GmbH und Gastgeber des Abends, hat nur positive Erfahrungen mit Bewerbern aus dem Dualen Studium gemacht. Die LINAK GmbH bietet jährlich einen Arbeitsplatz für sie an. Seit 28 Jahren hat das Unternehmen mit Stammsitz in Dänemark eine Niederlassung in Nidda. Vor Ort sind 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Doch mit Entwicklung, Produktion und Vertrieb von „Linearen Aktuatoren“ (LINAK) ist das 1907 gegründete familiengeführte Unternehmen mit seinen mehr als 2200 Mitarbeitern als Global Player tätig, weltweit an 35 Standorten, unter anderem in China, den USA und der Tschechoslowakei. „Lineare Aktuatoren“ sind innovative elektrische Antriebslösungen, die zum Beispiel das leichtere Verstellen von Krankenbetten oder den schmierölfreien Betrieb von Mähdreschern ermöglichen.

„Ich sehe viele Vorteile für Firmen im regionalen Bereich“, sagt Jan-Michael Döll, „denn die Betriebe suchen händeringend nach jungen Leuten, die ihr Unternehmen während des Dualen Studiums oder auch in Praktika bereits kennengelernt haben.“ Döll hat im Dualen Studium Mittelstandsmanagement studiert und arbeitet jetzt für die LINAK GmbH im Außendienst. „Ich fühle mich hier Zuhause.“

Kooperation bietet vielfältige `Türöffner-Effekte´

Weitere positive Kooperations-Effekte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zeigte Klaus Karger, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Wetterau, auf. Beispielsweise das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, das im letzten Förderungszeitraum über 20 Betriebe aus der Wetterau mit über 2.000.000 Euro gefördert hat. Oder die Landesoffensive zur Entwicklung wissenschaftlicher Exzellenz (Loewe). Von ihr wurde unter anderem die Zusammenarbeit der Frank Kunststofftechnik in Wölfersheim mit der TU Darmstadt mit 350.000 Euro unterstützt. Studien und regionale Beispiele zeigten, dass Kooperationen mit Hochschulen für Unternehmen oft einen `Türöffner-Effekt´ haben hin zu Produktentwicklung und Innovation, zum Erschließen neuer Märkte, zu überdurchschnittlichen Umsatzentwicklungen in den Folgejahren und zur erfolgreichen Bindung von akademisch ausgebildetem Mitarbeiter-Nachwuchs.

Aber auch ohne Förderprogramme seien niederschwellige Kooperationen mit Hochschulen interessant. Die wfg hat selbst seit 2015 zwei Arbeitsplätze für studentische Praktikanten eingerichtet und sehr gute Erfahrungen damit gemacht. „Die Nachfrage ist groß, über 20 Studenten absolvierten bereits ein sechs- bis elfwöchiges Praktikum. Wir können das nur jedem anderen Betrieb auch empfehlen“, so Klaus Karger abschließend. Im nächsten Jahr wird die Wirtschaftsförderung Wetterau zwei weitere Veranstaltungen anbieten, um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in der Region zu intensivieren. Angesprochen sind dann vor allem Schulabsolventen, ihre Eltern und Lehrkräfte an weiterführenden Schulen.

Foto: Gastgeber und Referenten des Abends (von links) Klaus Karger – Geschäftsführer Wirtschaftsförderung Wetterau, Ilona Hennicke und David Schuch – König + Neurath AG, Søren Rasmussen – Geschäftsführer der LINAK GmbH, Prof. Dr. Matthias Willems – Präsident der THM, Bernd-Uwe Domes – Geschäftsführer Wirtschaftsförderung Wetterau, Jan Michael Döll – LINAK GmbH).

Bildrechte: Wirtschaftsförderung Wetterau


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