Mit warmen Händen „Erben und Vererben“ regeln

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Die Ortsstelle Main-Kinzig der Stiftungsfamilie BSW (Bahnsozialwerk) hatte zu einem Informationsnachmittag zum Thema „Erben und Vererben“ alle Förderer/-innen eingeladen und ist auf großes Interessen gestoßen.



Über 50 Teilnehmer*innen kamen ins Landgasthaus „Zum Deutschen Hof“ in Ronneburg-Neuwiedermus um sich über  der komplizierte Materie bzw. Rechtslage zu informieren. Die BSW-Ortsstellenvorsitzende Elke Maennchen begrüßte den Rechtsanwalt und Notar Armin Eisenschmidt aus Hanau. Bevor die Veranstaltungsgäste den Referenten mit Fragen regelrecht herausfordern konnten, gab er einen sehr umfangreichen und detaillierten Überblick dem Thema: „Testament Erben und Vererben“ was alles zu beachten ist.

Vermögensübertragungen (unter Lebenden und von Todes wegen) sind nach Auffassung von Rechtsanwalt und Notar Armin Eisenschmidt von außerordentlicher Relevanz und erfordern eine juristische, steuerliche und unternehmerische Beratung. Zwischen 2010 und 2020 schätzt man, dass ca. 2,6 Billionen Euro übertragen wurden (sprich 27% des Vermögensbestandes aller privaten Haushalte). „Vererben“  Warum Gedanken zur Erbfolge machen? Weil es um die Versorgung, von Partner*in, Abkömmlingen, nahe stehenden Personen geht, ebenso um die Vermeidung von Erbstreitigkeiten und Vermeidung des Erbscheinverfahrens durch ein notarielles Testamentes. Außerdem der Vermeidung von Nachweisproblemen, einer schnelle Nachlassabwicklung und „unerwarteter Erben“.

Anschließend klärte der Notar den Unterschied „Gesetzliche Erbfolge“ und  „Gewillkürter Erbfolge“. Die „Gesetzliche Erbfolge“ gilt, wenn keine notarielle Verfügung (Testament oder Erbvertrag) vorliegt für Ehegatten, Verwandte und sonstige, hilfsweise den Staat. Die „Gewillkürte Erbfolge“ gilt, wenn eine wirksame notarielle Verfügung (!) vorliegt für jede natürliche Person, zudem jedoch auch für natürliche Personen.

Besondere Aufmerksamkeit herrschte bei der Erläuterung der „Rangordnung in der Erbfolge“: Die Erbfolge wird vermittelt durch die Anzahl der Geburten. Innerhalb der ersten Ordnung erfolgt die Vererbung nach Stämmen. In absteigender Linie an dessen Repräsentanten. Sind nur Erben zweiter oder dritter Ordnung vorhanden, so gilt vor der Methode der Erbenermittlung nach Stämmen das Prinzip der Linien. Linie ist dabei die vom Erblasser aus gesehene Abstammung von den Eltern und Großeltern, § 1925 Abs. 3 BGB.

Sofern mit dem Schritt zum Notar zugewartet wird, ist beim eigenhändigen Testament folgendes zu beachten gewesen, damit es wirksam ist:

  • MUSS: gesamter Text eigenhändig geschrieben
  • MUSS: Unterschrift
  • MUSS: eine erbrechtlich hinreichend bestimmte Verfügung

Bei Verstoß ist das Testament grundsätzlich unwirksam

  • SOLL: Angabe von Ort und Zeit
  • SOLL: Unterschrift mit Vor- und Nachnamen
  • Empfohlen: Überschrift „Testament“/Letzter Wille“

Verstoß fördert Streit über Wirksamkeit!

Die Risiken eines eigenhändigen Testamentes bergen häufig folgendes juristisches Streitpotential:

  • Bei falscher Verwendung der Begriffe „vererben“ und „vermachen“
  • Bei Zweifeln an der Echtheit der Urkunde
  • Bei Zweifeln an der Testierfähigkeit des Erblassers
  • Bei Angabe von Motiven („…weil sie mich so gut gepflegt hat.“)
    Gefahr der Testamentsanfechtung

Weiteres Problem ist: Wird das Testament bei meinem Tod gefunden?

Der Referent gab Hinweise auf „Testamentarische Gestaltungsfragen“: Vor- und Nacherbschaft, Testamentsvollstreckung, Postmortale Vollmacht, Teilungsanordnung, Vermächtnisse insbesondere dem Vor-, Nach und Supervermächtnis, sonstigen Zuwendungen und Auflagen sowie zur Problematik von Auslandsvermögen.

Wichtig ist auch die Beachtung der 10 Jahresfrist im Erbschaftssteuergesetz sowie der Steuerfreibeträge. Besonders hilfreich waren die „10 Gründe für eine Übertragung mit warmer Hand“: Aufteilung des Vermögens unter den Kindern zu Lebzeiten, Erbschaftssteuer, Sicherstellung der Versorgung im Alter, Verfügungssperre, Sozialhilfe, Zugewinn, Gläubiger, Schenkung, Ausstattung und Pflegeleistungen.

Weichenstellungen bzw. Grundfragen: Soll überhaupt lebzeitig übertragen werden, oder ist die Übertragung durch letztwillige Verfügung nicht vorzuziehen? Was spricht dafür: Entlastungseffekt des Erblassers, Einvernehmen herstellbar und Ertragssteuerrechtliche Motive (Sonderausgabenabzug für Versorgungsleistungen /Ausnutzen des Schenkungssteuerfreibetrages). Was spricht dagegen: Keine ausreichende dingliche Wirkung von Kontroll- und verfügungsentziehenden Elementen (Testamentsvollstreckung und Vor- und Nacherbfolge)

Ein weitere Grundfrage ist: Wann ist der rechte Zeitpunkt? Zu früh: Verlieren von Refinanzierungsmöglichkeiten, der Übernehmer befindet sich noch in der Phase der Persönlichkeitsbildung (Pubertät, Partnerwahl, Berufsfindung o.ä.) und Leistung „Zug um Zug“. Zu spät: Der Veräußerer muss Sozialfürsorgeleistungen in Anspruch nehmen, Gläubigerzugriff und Abschmelzungsregelung des § 2325 Abs.3 BGB.

An wen soll übergeben werden? Ins Auge zu fassen sind hierbei Risiken in der Person des Erwerbers: Vermögenslosigkeit/Habgier, Kommunikative und fachliche Kenntnisse, Verwandtschaftsverhältnisse nach Rangordnungen und Chemie zwischen Übergeber und Übernehmer.

Welche Absicherungen sind sinnvoll, gar notwendig? Altenteil/Leibgeding, Wohnrechte, Nießbrauch, Sonstige Dienstbarkeiten/Reallasten, Rückforderungs-vorbehalte (schuldrechtlich/dinglich), Zuwendung an Dritte um Nachlassauseinandersetzungen mit Pflichtteilsverzichten o.ä. zu flankieren.

Das Fazit von Rechtsanwalt und Notar Armin Eisenschmidt war: „Übergabe mit warmer Hand statt Steuern zu verschenken, Vermögen dauerhaft vor dem Zugriff Dritter schützen, Eine klare Regelung vermeidet Streit unter den Erben. Sie dient dem Familienfrieden, Es kann daher nur eine Alternative geben: Aktiv handeln!“

Text und Fotos: Anton Hofmann


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