Zwei Langzeitarbeitslose schildern ihren Weg zurück

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Der Begriff „Langzeitleistungsbezug“ ist allein schon eine echte Belastung und mit vielen Vorurteilen behaftet.



langzeit arbeitlangzeit arbeit1So wird allgemein vermutet, dass die Betroffenen aus persönlicher Schuld oder fehlender Motivation ohne Arbeit sind. „Diese Wahrnehmung ist ein ernsthaftes Problem“, weiß Michael Krumbe, Vorstand des Kommunalen Centers für Arbeit (KCA).

Sowohl aus eigener Erfahrung als auch aus empirischen Studien lässt sich belegen, dass Langzeitarbeitslose deutlich schlechtere Jobchancen haben. Viele Arbeitgeber seien erst einmal sehr zurückhaltend, hier ein berufliches Angebot zu unterbreiten. „Zum Glück können wir sehr häufig diesen Eindruck erfolgreich widerlegen“, sagt Krumbe. Denn die Betroffenen werden sorgfältig und gezielt auf eine Vermittlung vorbereitet.

Nicht selten seien zunächst persönliche Hürden wie Schulden, Suchtproblematik oder Sprachdefizite zu überwinden, um fit für den Arbeitsmarkt zu werden. Als Langzeitleistungsbezieher gilt offiziell, wer binnen zwei Jahren mehr als 21 Monate Arbeitslosengeld II erhalten hat. Das betrifft im Main-Kinzig-Kreis derzeit rund 10.000 Personen.

Um dieser Personengruppe zu helfen, betreuen die Fallmanagerinnen und Fallmanager des KCA die Betroffenen so eng wie möglich. Gemeinsam sind Barrieren zu bewältigen, Qualifizierungen und Fortbildungen zu organisieren und vor allem moralische Unterstützung zu leisten. Gerade der letzte Punkt sei entscheidend, so Krumbe: „Es gibt keine aussichtslosen Fälle. Nur wenn der Betroffene selbst die Hoffnung fahren lässt, wird es auch für uns sehr schwierig.“

Diese Erfahrung kann die gebürtige Bosnierin Sajeta Schneider bestätigen. Seit 1993 lebt die zweifache Mutter in Freigericht. Die gelernte Schreinerin hat unter anderem als Reinigungskraft und Produktionshelferin ihren Lebensunterhalt bestritten. Als dann 2000 die Ehe zerbrach, begann eine lange Phase der Arbeitslosigkeit. Obwohl Schneider immer darum kämpfte finanziell auf eigenen Beinen zu stehen, war sie irgendwann auf Arbeitslosengeld II angewiesen. Ihre KCA-Fallmanagerin Nicole Freitag erkannte aber schnell, den unbedingten Willen ihrer Klientin, sich aus der Arbeitslosigkeit heraus zu kämpfen.

„Frau Schneider wollte keine Zeit verlieren und hat vieles selbst in die Hand genommen – etwa wenn es darum ging ihren bosnischen Berufsabschluss hier anerkennen zu lassen.“ Schneider spricht auch nach über zwei Jahrzehnten noch kein geschliffenes Deutsch. Das hindert sie aber nicht daran, ihren Standpunkt klar zu vertreten: „Ich verstehe die Leute nicht, die keine Arbeit finden. Wenn Du selber Geld verdienst, bist Du ein anderer Mensch und Du bist ein Vorbild für Dein Kind.“ Die resolute 41jährige hat sich mit viel Mut und Durchhaltevermögen ihren beruflichen Wunsch erfüllt und die Ausbildung zur Pflegehelferin absolviert. Seit drei Jahren ist sie festangestellte Mitarbeiterin bei den Main-Kinzig-Kliniken in Gelnhausen. „Frau Schneider arbeitet jetzt für ein Tochterunternehmen des Main-Kinzig-Kreises – wir sind also praktisch Kolleginnen“ sagt Fallmanagerin Freitag mit einem Lächeln.

Auch Uwe Winter war Langzeitarbeitsloser und auch er hat eine neue Perspektive in einem Pflegeberuf gefunden – doch damit enden die Parallelen zu Sajeta Schneider. Winter, der im Frankfurter Gallus-Viertel großgeworden ist, kam früh mit Drogen in Kontakt und geriet auf die schiefe Bahn. „Die einzige Chance war, mein Leben radikal zu ändern“ so Winter. Seine Eltern holten ihn kurzentschlossen aus Frankfurt ab und nahmen ihn zu sich nach Romsthal.

Der Kulturschock aus der Großstadt in das idyllische Dorf im Huttengrund umzuziehen war heilsam. Trotzdem lag noch ein steiniger Weg vor dem Vierzigjährigen. „Bei Herrn Winter brauchten wir viel Geduld, bis wir das Passende für ihn gefunden hatten“, erklärt seine Fallmanagerin Ute Nagler aus der KCA-Region Schlüchtern. Winter versuchte sich unter anderem als Lagerarbeiter, konnte aber in dem Beruf nicht Fuß fassen.

Im Rahmen eines einjährigen Praktikums als Hausmeisterhilfe lernte er schließlich das Haus Bergwinkel in Bad Soden-Salmünster kennen, eine Einrichtung für geistig und körperlich behinderte Menschen. Die Begegnung mit den Bewohnern stimmte ihn nachdenklich. „Ich habe mir durch Drogen jahrelang selber Schaden zugefügt“ so Winter. „Auf einmal habe ich Menschen kennengelernt, die unverschuldet unter schweren Einschränkungen leiden.“ Nach einem zweiten Praktikum stand für ihn fest, dass er sich zum Pflegehelfer ausbilden lassen und im Haus Bergwinkel arbeiten wollte. Die Tätigkeit ist körperlich anstrengend und fordert auch seelischen Tribut – etwa bei der Sterbebegleitung. Aber Winter ist glücklich, dass er diesen Weg einschlagen konnte: „Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich der Gesellschaft etwas zurückgeben muss.“ Seit dem 1. Juli 2013 ist er stolzer Besitzer eines unbefristeten Arbeitsvertrags – zum ersten Mal in seinem Leben.

Fotos: Sajeta Schneider und Uwe Winter.


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